: Nicaraguas Kirche spricht von „Versöhnung“
■ In Managua wohnten 50.000 Gläubige dem Schlußakt des Eucharistischen Kongresses bei / Ortega empfing konservative Bischöfe Lateinamerikas / Kurienkardinal kritisiert „diktatorisches Verhalten“ der Sandinisten und wirft Basisgemeinden Parteipolitik vor
Aus Managua Leo Gabriel
Mit einem feierlichen Schlußakt, an dem 50.000 Gläubige und Schaulustige sowie in Vertretung des Papstes der römische Kurienkardinal Opilio Rossi und zahlreiche Bischöfe aus den USA und Lateinamerika teilnahmen, ging in Managua der einwöchige Eucharistische Kongress zu Ende, von dem sich der nicaraguanische Episkopat eine Demonstration seiner Kraft erwartet hatte. Wäh rend einer ganzen Woche hatten in vielen Pfarreien Managuas und einigen Diözesen des Landes Vorträge, Prozessionen und Gebetsandachten stattgefunden, die den sakralen Charakter eines auf Hierarchien und Wunderglauben gegründeten Religionsverständnisses widerspiegeln sollten Daß sich trotz der tiefverwurzelten Religiosität der Nicaraguaner die Beteiligung an den verschiedenen Veranstaltungen in Grenzen gehalten hat, lag einerseits an der de zentralisierten Organisation des Kongresses, andererseits aber auch an der abstrakten theologischen Sprache: Die nicaraguanischen Oberhirten konnten ihre mangelnde Erfahrung als Prediger nicht verbergen. Im Unterschied zu früheren Jahren waren die Basisgemeinden diesmal nicht bereit, ihr politisches Engagement öffentlich zu bekunden: „Das könnte von den Anhängern Obandos als eine Provokation aufgefaßt werden. Sie würden dann wie beim Besuch des Papstes im März 1983 behaupten, die Sandinisten hätten sie in ihrer freien Religionsausübung gestört und das würde letzten Endes auf die Regierung zurückfallen“, meinte Schwester Josefina, der der Erzbischof vor einigen Monaten die Weiterführung eines sandinistischen Kinderprojekts im Armenviertel San Judas verboten hatte. Auch die sandinistische Regierung hat seit der ersten Gesprächsrunde mit den Bischöfen ihren kritischen Ton entschärft. Präsident Daniel Ortega empfing die Mehrzahl der zum Kongreß geladenen kirchlichen Würdenträger, die zumeist dem konservativen Flügel der lateinamerikanischen Bischofskonferenz angehörten.Trotz der immer wieder geäusserten Dialogbereitschaft der Regierung haben sich die nicaraguanischen Bischöfe Zeit gelassen, um den Termin für eine neuerliche Gesprächsrunde festzusetzen. Erst nach der Ankunft von Kardinal Rossi, der sich in diesem Punkt recht zuversichtlich zeigte, wurde ein neuerliches Treffen mit Präsident Daniel Ortega für den 1. Dezember anberaumt. Über den Gegenstand der Verhandlungen gehen die Meinungen jedoch weiterhin auseinander. Während die Sandinisten eine grundsätzliche Anerkennung der Trennung zwischen Kirche und Staat auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts anpeilen, erwähnte Kardinal Rossi bei einem Gespräch mit der taz, daß die Forderungen der nicaraguanischen Hierarchie nach der Rückkehr der ausgewiesenen Priester (unter ihnen auch Bischof Pablo Antonio Vega) eine „Voraussetzung“ für das Gedeihen des Dialogs wären. Der erfahrene Diplomat, der lange Jahre hindurch apostolischer Nuntius in Österreich gewesen war, unterstrich, daß er selbst von der Regierung in Managua „gut aufgenommen“ worden sei. Er kritisierte jedoch das „diktatorische Verhalten“, das die Sandinisten in der Vergangenheit öfters gezeigt hätten. Viel strenger ging der Vertreter des Papstes mit den christlichen Basisgemeinden ins Gericht, denen er vorwarf, Parteipolitik zu betreiben: „Es ist ein Irrtum, in Christus nur einen politischen Revolutionär zu sehen. Die Kirche ist für alle da - für die Armen und die Reichen - vor allem aber für die Armen“, erklärte Opilio Rossi. Auf die Frage, ob man das soziale und das politische Engagement der Kirche voneinander trennen könne, verwies der Diplomat aus Rom auf das Beispiel von Mutter Theresa, die aus Anlaß des eucharistischen Kongresses ebenfalls nach Nicaragua gekommen war, um für die „Versöhnung“ zu beten. „Reconciliacion“ (Versöhnung) war dann auch das in den Ansprachen der geistlichen Würdenträger am meisten verwendete Wort. In der in Nicaragua üblichen Sprachregelung ist dieser Ausdruck gleichbedeutend mit der Forderung der US–Administration nach Verhandlungen der nicaraguanischen Regierung mit der Führung der „Contras“. Bisher haben die Sandinisten diese Forderung aber immer in den Wind geschlagen, ein Umstand , an dem sich auch in Zukunft kaum etwas ändern wird. Daß das Wort „Wiederversöhnung“ jedoch auch in einem ganz anderen Sinne verstanden werden kann, mit dem auch die Regierung in Managua einverstanden ist, zeigte der Erzbischof von Boston, Kardinal Bernard Law, als er nach der Schlußveranstaltung erklärte, daß „ein Dialog zwischen der Regierung der USA und der Nicaraguas für die Wiederversöhnung von grundlegender Bedeutung“ wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen