Statt Mahnmal in Bonn Gedenkstätten vor Ort

■ Treffen verschiedener Gedenkstätten–Initiativen in Bonn / Kaum Staatliche Unterstützung beim Versuch, in ehemaligen KZs vor Ort erfahrbare und den Opfern angemessene Gedenkstätten zu errichten / Kritik an „Nationalem Mahnmal“ e

Aus Bonn Ursel Sieber

Sie arbeiten meist im stillen und, wenn überhaupt, mit sehr, sehr wenig Geld: Die Gedenkstätten– Initiativen. Am Wochenende trafen sich einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Gedenkstätte der ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme, Breitenau, Dachau, Emsland und anderen mehr in Bonn. Es war ihr sechstes Koordinationstreffen. Erfahrungen wurden ausgetauscht, sie haben sich gegenseitig Mut gemacht und auch zum umstrittenen „Mahnmal für die Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft“ Stellung bezogen, das die Bundesregierung in der Rheinaue, unweit des Regierungsviertels, errichten möchte. Anders als in Polen oder in der DDR ist die Gedenkstättenarbeit in der Bundesrepublik - mit Ausnahme von Dachau - erst etwa sechs Jahre alt. Ein genauer Überblick ist schwierig, die Zahl der Initiativen wird auf 80 bis 100 geschätzt. Gemessen an den 1634 Konzentrationslagern und KZ– Außenstellen, die es laut Bundesentschädigungsgesetz auf dem ehemaligen deutschen „Reichsgebiet“ gab, nur ein kleiner Anfang. Selbst die bestehenden Gruppen, von denen einige Mitarbeiter/innen die Verfolgung des Faschismus am eigenen Leibe verspürt haben, „stoßen bei ihrer Arbeit jedoch immer noch auf konkrete Widerstände und finden zu wenig staatliche Unterstützung“, erläutert Thomas Lutz, der für die Ak tion Sühnezeichen die Gedenkstättenarbeit betreut. Und dies, obwohl die Gedenkstätten am Ort des Geschehens „einen unverzichtbaren Beitrag“ für ein historisch–politisches Bewußtsein leisten. Geschichte soll „erfahrbar“ werden, und da kann der Besuch in einer Gedenkstätte in der unmittelbaren Umgebung eine intensivere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hervorrufen als die Klassenfahrt ins Museum. Nur zehn Gedenkstätten–Initiativen arbeiten „hauptamtlich“, d.h. mit einigen festen Mitarbeitern. In Neuengamme beispielsweise sind der Leiter und zwei Aufsichtspersonen ganztags beschäftigt, zur Betreuung von Gruppen gibt es zwei halbe Stellen und dazu noch studentische Hilfs kräfte auf Honorarbasis, zählt Thomas Lutz auf. 50 000 Besucher/innen kommen jährlich zu diesem früheren Ort des Grauens. Thomas Lutz zieht einen Vergleich mit dem Museum für Hamburgische Geschichte, um zu zeigen, „wie wenig diese Arbeit ernstgenommen wird“: „Dort gibt es 35 Stellen mit 100 000 Besuchern im Jahr“. Doch die Schwierigkeiten, auf die die Initiativen stoßen, gehen über das Finanzielle hinaus. Thomas Lutz nennt als Beispiel das ehemalige KZ Drütte, ein Außenlager von Neuengamme auf dem Gelände der Hermann– Göring–Werke, das heute inmitten des Werksgeländes des bundeseigenen Konzerns Salzgitter– Peine steht. „Der Arbeitskreis Stadtgeschichte möchte dort eine Gedenkstätte errichten und bekommt das nicht gestattet“, so Thomas Lutz - weil jene dann auf dem Werksgelände liege und die Hochstraße, unter der die Häftlinge eingesperrt waren, plötzlich abgerissen werden solle. Und dabei, so Lutz, könnte das Gebiet so abgesperrt werden, daß der Zugang von außen möglich wäre. Die Bundesregierung hat es in einem Schreiben an den Innenausschuß inzwischen abgelehnt, eine Gedenkstätte in Salzgitter–Drütte in irgendeiner Weise finanziell zu unterstützen. Stattdessen plante sie, das NationalesMahnmal, das die Gedenkstätten–Initiativen entschieden ablehnen. Die notwendige Differenzierung zwischen Tätern und Opfern werde „bis zur Unkenntlichkeit“ verwischt, heißt es in einer am Wochenende verabschiedeten Erklärung. „Es ist unangemessen, derer zu gedenken, die verfolgt wurden, und gleichzeitig derer, die durch ihre Handlung die Verfolgung erst möglich gemacht haben“. Die Initiativen sehen in dem geplanten Mahnmal den Versuch, „nationale Idendität durch Relativierung der Nazi–Verbrechen“ zu stiften: „Es soll kein Stein des Anstoßes sein, sondern der Schlußstein der Beschäftigung mit der NS–Geschichte“, faßt Thomas Lutz zusammen. Für diese Legislaturperiode ist das Mahnmal auf Eis gelegt. Der für die SPD–Fraktion zuständie Abgeordnete Peter Conradi, der die Errichtung eines zentralen Mahnmals in Bonn nicht „prinzipiell“ ablehnt, sagt heute, er werde seiner Fraktion empfehlen, „die Sache nicht weiter zu verfolgen, weil mit dieser Bundesregierung kein Konsens erreichbar ist“. Conradi denkt inzwischen an eine Dokumentationsstätte, ein sogenanntes „Denkhaus“, das mit dem geplanten Deutschen Historischen Museum in Bonn in Zusammenhang steht. Für die Grünen ist der Raum geschaffen, ihren Vorstellungen Nachdruck zu verleihen: Statt einer zentralen Gedenkstätte wollen sie gerade eine Förderung der Gedenkstätten–Arbeit vor Ort erreichen.