: Q U E R S P A L T E Matt im Wüstensand
■ Sowjetisches Debakel bei der Schach–Olympiade
Von Reagan abgeschmettert, von Molotow verlassen, von Kohl beharrlich verglichen - ohne Zweifel geht es bergab mit Gorbatschow und der sowjetischen Herrlichkeit. Nicht genug damit, daß sich sowjetische Fußballtrainer schon damit durchschlagen müssen, ihren Spielern die von deutschen Sportartikelfirmen gelieferten Trikots zu klauen und sie für 50.000 Rubel auf dem Schwarzmarkt zu verscherbeln (Jugend– Nationaltrainer Gerassimow bekam für diesen unfeinen Akt neun Jahre Knast), nun kassiert die Sowjetunion auch noch Schlappen auf ihrem ureigensten Terrain - dem Schachbrett. Bei der Schach–Olympiade in Dubai folgte einem schmählichen Unentschieden gegen Island eine höchst peinliche Niederlage, ausgerechnet gegen die Damen und Könige aus dem Land des Bösen. Mit 1,5:2,5 unterlag der Bauern– und Springerstaat den USA und fiel dadurch auf den fünften Platz zurück, während sich an der Spitze die Schächer aus den kapitalistischen Hochburgen England und USA ins Fäustchen lachen. Vor allem Weltmeister Kasparow rüstete auf dem Brett tüchtig ab, ohne von seinem Gegner, dem US–Großmeister Seirawan, entsprechende Gegenleistungen zu verlangen. Der Verlust seiner Partie besiegelte die sowjetische Niederlage. Aber was ist auch von einem Schachgenie zu erwarten, das Hemingway statt Marx verehrt, lieber Federball spielt als der Partei zu dienen und die „Geistesschulung, die der Arbeiter durch Erlernen des Schachspiels erfährt“ (Lenin), keineswegs im Sinne des großen Genossen zur „Erkämpfung des Sozialismus“, sondern lieber zur Speicherung von vierhundert Telefon– und mehreren Kontonummern verwendet. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen