Freispruch für Polizeibeamten

■ Leiter eines polizeilichen Prügeleinsatzes nach einer Startbahn West–Demonstration freigesprochen Gericht hilflos gegenüber Korpsgeist / Richter beklagt fehlende Kennzeichnung von Polizisten

Aus Frankfurt M. Miersch

„Die Täter sind unerkannt geblieben.“ Mit diesen resignierten Worten begann der vorsitzende Richter Kurt Elliesen gestern die Begründung für seinen Freispruch im Frankfurter Prozeß gegen den Polizeioberrat Hans–Robert Philippi (42). Philippi war angeklagt worden, am 4. November 1981 den Prügeleinsatz von Polizisten bei einer Demonstration imFrankfurter Nordend angeordnet zu haben. Bei der beispiellosen polizeilichen Prügelorgie waren damals 32 Demonstranten zum Teil schwer verletzt worden. Bereits die beiden Staatsanwälte hatten Freispruch gefordert. Begründung: „Die schlechte Beweislage geht zugunsten des Angeklagten.“ Kein Prozeßbeteiligter bezweifelt nach dem über einjährigen Verfahren, daß es damals zu Polizeiübergriffen gekommen war. Doch auch die Vernehmung von 136 Zeugen konnte nicht unwiderlegbar beweisen, daß Einsatzleiter Philippi sein Sondereinsatzkommando (SEK) zum Losschlagen ohne Vorwarnung aufgefordert hat, und auch Namen von einzelnen prügelnden Polizi sten konnten dem Gericht nicht genannt werden. Auch der zweite Anklagepunkt, Philippi habe die berüchtigte Knüppelgasse geduldet, durch die die Demonstranten damals getrieben wurden, konnte nicht hundertprozentig bewiesen werden. Der größte Trumpf des Angeklagten waren die Aussagen seiner SEK–Polizisten. Sie erklärten unisono, er hätte sie zum Bilden einer Polizeikette aufgefordert. Da sie in massiven Steinhagel geraten seien, hätten sie sich mit dem Schlagstock verteidigen müssen. Anwohner, Passanten, Journalisten und Demonstranten hatten dieser Darstellung entschieden widersprochen. Doch kein einziger Polizist wich von der „Notwehrversion“ ab. Der Richter: „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, es flog überhaupt kein Stein. Doch selbst dann ist das keine Rechtfertigung für das anschließende Verhalten der Polizei.“ Elliesen stellte im übrigen die Frage, ob ein demokratischer Rechtsstaat es sich leisten könne, Polizeibeamte nicht zu kennzeichnen. Das habe zur Konsequenz, daß polizeiliche Gewalttäter so gut wie nie dingfest gemacht werden könnten. „Die Demokratie bleibt dabei Stück für Stück auf der Strecke“. Das Frankfurter Urteil ist das vorläufige Ende einer fünfjährigen Ermittlungsarbeit. Wer die 32 teilweise schwerverletzten Polizeiopfer verprügelt hat, konnte trotz einer Unzahl von Augenzeugen nicht ermittelt werden. Auch der Aufsehen erregende Schritt der Frankfurter Staatsanwaltschaft, statt der Schläger den Befehlshaber in die Verantwortung zu nehmen, ist gescheitert. Für die Schläger in Uniform bleibt die Lehre, die ein Prozeßbeobachter so formulierte:“ Man muß nur feste zusammenhalten, dann kann man sich alles erlauben.“ Die Rechtsanwälte der Nebenklage wollen nach dem Studium der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden, ob sie Revision beantragen. Die Grünen im hessischen Landtag forderten Innenminister Winterstein sofort nach Bekanntwerden der Urteilsbegründung auf, in Hessen die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten einzuführen.