Keine Freizügigkeit für Türken innerhalb der EG

■ Außenminister der Europäischen Gemeinschaft brechen Assoziierungsvertrag mit der Türkei / Die Bundesrepublik verhindert minimale Zugeständnisse

Von Jürgen Gottschlich

Berlin (taz) - Mit einem selbst vom zuständigen EG–Kommissar Claude Cheysson als für die Türkei „nicht verhandlungsfähig“ kritisierten Beschluß beendeten die EG–Außenminister am Montag abend ein jahrelanges Tauziehen um die Konsequenzen des Assoziierungsvertrages zwischen der Türkei und der Gemeinschaft. Selbst minimale Zugeständnisse in den Bereichen Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis und Familienzusammenführung für in der EG lebende Türken wurden durch bundesdeutsches Veto blockiert. Laut dem 1964 geschlossenen Vertrag sollte die Türkei in mehreren Stufen an die EG–Vollmitgliedschaft herangeführt werden. Als wichtigsten Punkt sieht das Abkommen die Einführung der Freizügigkeit für türkische Staatsbürger ab dem 1.12.1986 vor. Vor allem diese Zusage machte der EG und insbesondere der Bundesregierung seit geraumer Zeit heftiges Kopfzerbrechen. Die Vorstellung eines ungehinderten Zuzugs türkischer Arbeitnehmer und ihrer Familien in die Länder der EG trieb den bundesdeutschen Politikern fast aller Lager den Schweiß auf die Stirn. So setzte die Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, um die „unvorsichtige“ Entscheidung der Adenauer–Regierung von 1964 wieder vom Tisch zu bekommen. Mit Erfolg. Das am Montag abend von den Außenministern beschlossene „Minimalangebot“ ist nichts anderes als die Festschreibung des Status quo. Fortsetzung Seite 6 Einigkeit erzielten die Minister nur darin, daß es unmöglich sei, die türkischen Ansprüche aus dem Assoziierungsvertrag mit EG– Recht abzusichern. Da von der Durchsetzung der Freizügigkeit ab nächster Woche gar nicht mehr die Rede war, sollte der Türkei als Kompensation eine Statusverbesserung für die in der EG lebenden Türken angeboten werden. Doch sie scheiterte am Veto der BRD. Bereits im April hatte die Konferenz der Innenminister der Bundesregierung aufgetragen, kein Verhandlungsergebnis zu akzeptieren, durch das die nationalen Regelungen beeinträchtigt werden könnten. Parallel zu Brüssel verhandelte in Bonn und Ankara eine bilaterale Kommission, die unterhalb der Vertragsebene Kompensationsangebote erarbeiten sollte, damit die türkische Regierung ihre Ansprüche in Brüssel von sich aus zurücksteckt. Bonn hat sich aber auch auf dieser Ebene nicht großzügig gezeigt. Vereinbart worden sein soll eine Erhöhung der Militärhilfe auf 300 Mio. und die einmalige Lieferung von 150 gebrauchten Leopard I–Panzern. Darüberhinaus hat die Bundesregierung bislang nur ihre alte Position bekräftigt, sich innerhalb der EG für die Freigabe der Gemeinschaftsunterstützung an die Türkei einzusetzen, die nach dem Putsch 1980 eingefroren worden war.