Kein Entsorgungsnachweis

■ Chemie–Industrie kann für ihren Müll nicht haftbar gemacht werden

Die Suche nach einer „Neuen Heimat“ für hessische Sondermüllabfälle sei das selbstverschuldete Ergebnis rot–grüner Politik, triumphiert der umweltpolitische Sprecher der CDU Bundestagsfraktion, Dr. Laufs. Die Abfall–Misere in Hessen sei durch die rot–grüne Blockade der Deponien in Mainhausen und Messel entstanden. „Mit grünen Sprüchen a la Joschka Fischer sind die Probleme nicht zu lösen“. Dieser bisher einzige Kommentar des CDU -Umweltsprechers zum vorläufigen gerichtlichen Stopp des Mülltourismus aus Hessen und Schleswig–Holstein nach Schönberg verdeckt nur oberflächlich die tatsächlichen Sondermüllprobleme. Grüne und SPD als Bonner Oppositionsparteien fordern nicht erst seit der offensichtlich gewordenen Misere eine viel rigidere Anwendung des Verursacherprinzips. Als Regierungspartei in Hessen sehen sich die Grünen regelrecht in der Falle. Ihr Spielraum ist gering, der Bund hat immer mehr Kompetenzen an sich gezogen. Trotzdem wagte sich der hessische Landtagsabgeordnete der Grünen Chris Boppel jetzt weit vor: man müsse, so der Parlamentarier aus dem hessischen Regierungslager, den politischen Druck auf die chemische Industrie verstärken und „das Mittel der vorübergehenden Produktionsstillegungen“ ins Auge fassen. Leicht gesagt. Wie so etwas durchzusetzen sein soll, darüber schweigt er sich aus. 4,5 Millionen Tonnen Sondermüll müssen pro Jahr in der Bundesrepublik entsorgt werden, von den Altlasten ganz zu schweigen. Für die stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag Liesel Hartenstein, SPD, wäre es schon ein Gewinn, wenn wenigstens die Erfassung der Abfallströme am Entstehungsort durchzusetzen wäre. Aber selbst diese Meldepflicht ist von der Bonner Regierungskoalition bisher abgelehnt worden. Die Gebühren für Sondermüll müssten - und da ist sie im Prinzip wohl mit den Grünen einig - „drastisch erhöht werden“. Nur darüber wie hoch sie in den einzelnen chemischen Stoffgruppen sein sollen, gibt es unterschiedliche Auffassungen.Die SPD ist eher für eine lineare Erhöhung, die Grünen wollen eine Anhebung nach Giftklassen. Juristisch ist der Rahmen für Verbote sehr eng gesteckt, einen Entsorgungsnachweis für die Chemie–Industrie analog zur Atommüll–Beseitigung existiert nicht einmal auf dem Papier. Während die Grünen in Bonn, wie Hannegret Hönes der taz erläuterte, zur Zeit prüfen, ob nicht über das Wasserhaushaltsgesetz bestimmte chemische Produktionslinien verboten werden können, setzt das hessische Umweltministerium unter anderem auf §5 des Emmissionsschutzgesetzes, wo in Ziffer 3 festgelegt ist, daß genehmigungspflichtige Anlagen so zu betreiben sind, daß „Reststoffe vermieden werden, es sei denn, sie werden ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder soweit nicht möglich, als Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt.“ Aber dieser Vorsorgegrundsatz reicht für Verbote nicht hin. Es sei denn, durch den Müllnotstand werde eine unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung hervorgerufen. Aber wann ist das gegeben, fragt man sich im Umweltministerium. Gegenwärtig jedenfalls nicht. Aber wenn doch, dann müsse selbstverständlich „die Polizei eingreifen...“ Max–Thomas Mehr