DGB plant Kommission zur Untersuchung des NH–Desasters

■ Forderung einzelner Mitgliedsgewerkschaften nach außerordentlichem DGB–Kongreß zur Neuen Heimat ohne Chance / „Geordneter Rückzug aus der Gemeinwirtschaft“ ist jetzt wahrscheinlich

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Der Bundesvorstand des DGB will auf seiner nächsten Sitzung am Dienstag kommender Woche eine Kommission einsetzen, die die Vorgänge um die Neue Heimat gewerkschaftsintern aufarbeiten soll. Dieser Vorschlag wird derzeit in der Düsseldorfer DGB–Zentrale entscheidungsreif gemacht, um die Forderung einzelner Mitgliedsgewerkschaften und DGB– Gliederungen nach Einberufung eines außerordentlichen DGB– Kongresses über die Bewältigung der Neue–Heimat–Affaire und die Zukunft der gewerkschaftseigenen Gemeinwirtschaft insgesamt abzufangen. Die Forderung war in den letzten Wochen nach dem Rückkauf des überschuldeten Wohnungsbaukonzerns durch die gewerkschaftliche Holdinggesellschaft BGAG von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Industriegewerkschaft Druck und Papier sowie dem DGB–Landesbezirk Baden–Württemberg erhoben worden. Aufgabe der Kommission soll es nach Informationen der taz sein, zu untersuchen, wie es zu dem finanziellen und politischen Desa ster mit der Neuen Heimat und dem offenkundigen Versagen der Kontrollgremien, vor allem im Zusammenhang mit dem Verkauf der NH an den Berliner Brotfabrikanten Horst Schiesser, kommen konnte. Sowohl die Mitglieder des DGB–Bundesvorstands mit dem DGB–Chef Ernst Breit an der Spitze, wie auch die Aufsichtsräte der BGAG und Neuen Heimat, in denen Breit und die meisten Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften vertreten sind, wurden von dem geplanten Verkauf seinerzeit erst kurz vorher unterrichtet. Zudem wird dem BGAG–Management vorgeworfen, wahrheitswidrig behauptet zu haben, daß die Banken in den Verkauf an Schiesser eingeweiht gewesen seien und ihre Zustimmung gegeben hätten. Dies stellte sich später als falsch heraus. Die beiden größten DGB–Mitgliedsgewerkschaften, IG Metall und ÖTV, haben inzwischen erklärt, daß sie sich der Forderung nach einem außerordentlichen Bundeskongreß zur Zukunft der Gemeinwirtschaft nicht anschließen werden. Dennoch wird es auf niedrigerer Ebene solche Konferenzen geben. Die Gewerkschaftstage der IG Metall und der Deutschen Postgewerkschaft haben Entsprechendes für ihre Organisationen beschlossen. Die ÖTV will im Dezember und Januar vier regionale Funktionärskonferenzen zum Thema NH und Gemeinwirtschaft einberufen. Im übrigen stehen die Zeichen auf Ausstieg aus der Gemeinwirtschaft insgesamt. Nach dem NH– Rückkauf geht es jetzt nur noch um die Modalitäten für die allmähliche Liquidierung des Konzerns. Die notwendigen Mittel dafür werden durch den vollständigen oder teilweisen Verkauf anderer Gewerkschaftsunternehmen aufgebracht, wobei durchaus unsicher ist, daß dies ausreicht. Ein Anfang wurde mit dem Verkauf der Mehrheit der gewerkschaftseigenen Bank für Gemeinwirtschaft an die Hamburg–Mannheimer Versicherung gemacht. Die ÖTV–Vorsitzende Monika Wulf–Mathies vertritt in der gerade erschienenen Dezember– Ausgabe des „ötv–Magazin“ die Auffassung, mit dem Abschied aus der Gemeinwirtschaft werde auch Abschied von „Hoffnungen und Illusionen“ über einen „dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ genommen. Es spreche jetzt „vieles für einen geordneten Rückzug aus der Gemeinwirtschaft“.