Waffenstillstand in Manila

■ Überraschende Einigung zwischen Regierung Aquino und der Guerillafront–Organisation NDF / Vorläufige Waffenruhe vereinbart

Aus Manila Nina Boschmann

Vier Tage nach dem erzwungenen Abgang des putschverdächtigen philippinischen Verteidigungsministers Juan Ponce Enrile haben sich Regierungsunterhändler und Vertreter der linken Guerillaorganisation NDF am Donnerstag in Manila auf einen 60tägigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen binnen 30 Tagen geeinigt. Das Datum war symbolträchtig: Der 27. No vember ist der Geburtstag von Ninoy Aquino, dem unter Marcos ermordeten Ehemann der heutigen Präsidentin und heutigen unangefochtenen Volkshelden und Märtyrer. Das Ambiente hielt, was es versprach: Strahlende, entspannte Untergrundsprecher umarmten den ebenfalls strahlenden Agrarminister und Regierungsvertreter Ramon Mitra, die zu Hunderten im Saal zusammengepferchten Vertreter/innen von Journaille/TV klatschten, johlten. Wahre Schlachten wurden um die raren Kopien des Abkommens ausgefochten. Ein Medienereignis, wie man es auf den Philippinen liebt: bunt, sentimental und festlich. Ob es mehr wird, wird die Praxis der kommenden Monate zeigen. Doch in jedem Fall ist das Abkommen ein bemerkenswerter Kompromiß zwischen den Forderungen des Militärs und denen der Guerilla. Fortsetzung auf Seite 6 Die Streitkräfte, die sich unter Enrile in den vergangenen Monaten systematisch einer Einigung widersetzt hatten und allenfalls einen kurzen symbolischen Waffenstillstand über Weihnachten akzeptieren wollten, stimmten jetzt einem weit längeren Zeitraum zu, der, wenn er eingehalten wird, beiden Seiten inhaltliche Verhandlungen erlaubt. Die National Democratic Front, die als Zusammenschluß verschiedener sektoraler Untergrundorganisationen die Verhandlungen für die New Peoples Army Guerilla und die philippinische KP führt, erhält umfangreiche Sicherheitsgarantien für ihre Unterhändler. Für die Dauer der Verhandlungen wird die NDF ein legales Büro in Manila einrichten und in den Medien ungehindert ihre Position verbreiten dürfen. Das Militär verpflichtet sich, no torische Einheiten der Streitkräfte sowie paramilitärische und Zivilschutzgruppen aufzulösen und zu entwaffnen. Die Einhaltung des Waffenstillstandes soll von Komitees überprüft werden. Wesentliches Zugeständnis der NDF ist die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen der Guerilla durch staatliche Stellen und die Forderung, Killerkommandos, denen ungerechtfertigte Morde vorgeworfen werden, ebenfalls aufzulösen. Verschiedene wichtige Fragen bleiben offen. So betrachtet die NDF den verhafteten KP–Führer Rodolfo Salas nach wie vor als Mitglied ihrer Verhandlungsdelegation (er wurde „inoffiziell zum offiziellen Mitglied“ ernannt), es gibt jedoch keine Zusicherung für seine Freilassung. Ebenfalls keine Einigung wurde über die Frage erzielt, ob die Erhebung revolutionärer Steuern durch die Guerilla und Waffenklau beim Militär ebenfalls feindliche Akte sind. Als allgemeines „good will– Zeichen“ stattete der jüngst freigelassene ehemalige NPA–Com mander Boynabe Buscayno einen Tag vor der Unterzeichnung des Abkommens dem neuen Verteidigungsminister Ileto einen Besuch ab und bot seine Vermittlerdienste an. Chefunterhändler Satur Ocampo meinte am Donnerstag zur Presse, zwar wisse man nicht, wie sich das Militär verhalten werde, doch der Optimismus habe die Skepsis besiegt. Ileto und Oberbefehlshaber Ramos ihrerseits erhoben bei einem Treffen am Mittwoch keine Einwände mehr gegen den Abkommenstext. Während viele Beobachter von der plötzlichen Einigung nach monatelangen zähen Verhandlungen überrascht waren, erklärten sowohl die Regierungsvertreter als auch die NDF–Delegation, man sei vorangekommen und die Zusammenarbeit sei so gut gewesen, daß es zeitweise sogar Bündnisse zwischen jeweils einem Regierungs– und einem Untergrundvertreter gegen die andere Hälfte der Delegation gegeben habe. Die von Aquino für den 30. November gesetzte Frist für den Erfolg der Verhandlungen sei ohne Bedeutung gewesen. Das Abkommen, so Tony Zumel von der NDF, hätte bereits viel früher unterzeichnet werden können. Einzig die Verhaftung von Salas und die Ermordung des Gewerkschaftsführers Rolando Olalia habe die Einigung hinausgezögert. Die NDF hoffe über die 60 Tage hinaus auf einen länger dauernden Frieden.