Dann doch lieber Skat!

■ Ein Börsenspiel zum Einüben von kapitalistischem „fair play“ für die Börsianer von morgen

So ein kleines Feuerchen bringt die Börse in Bewegung. Der Brand, der letzte Woche in Basel ausbrach und zum Gift–GAU im Rhein führte, bescherte dem Chemie–Multi Sandoz zu seinem 100jährigen Jubiläum Negativschlagzeilen und trieb seine Anleger zur Flucht. Der Kurswert stürzte innerhalb einer Woche um 17 Prozent, ca. 2.000 Franken je Anteil. Die Makler reiben sich die Hände, verdienen sie doch am Umsatz. Die Spekulanten hoffen auf weiteren Kursverfall, um kurz vor dem Wiederanstieg auf den Zug aufzuspringen, denn Sandoz ist trotz Brand ein prosperierendes Unternehmen. Die Voyeure und armen Schlucker studieren fleißig die Notierungen und erfreuen sich am Ab und Auf der Kurse. Vielleicht kaufen sie sich auch jenes Börsenspiel, dessen Erfinder leider nicht genannt ist, um für einen Abend in die sonst verschlossene Welt des großen Geldes einzutauchen. Mit 1.000 Spielmark Anfangskapital ausgestattet, kann sich da der Hilfsaktionär seine ersten Aktien zum Nennwert von hundert Mark kaufen. Vier Firmen sind an dieser Wohnzimmertischbörse zugelassen: Commerzbank, Salamander, Bayer und Deutsche BP. Mit Hilfe von zu ziehenden und auszuspielenden Aktionskarten können die Kurse verbessert und verschlechtert werden. Nach dem Motto „Aller Anfang ist schwer“ schleppt sich das Spiel über die ersten Runden und von spannungsgeladener Atmosphäre, wie sie der Otto Maier–Verlag verheißt, ist am Tisch bei Umsätzen von 2.000 Mark die Runde wahrlich nichts zu spüren. Haben sich die Spieler endlich in höhere Umsatzregionen geschleppt, nimmt das Ausrechnen und Verteilen der Gewinne so viel Zeit in Anspruch, daß es angebracht ist, ein Skat oder Doppelkopfspiel bereit zu halten, um die gute Laune beim Zocken zu holen. Laut Spielanleitung geht an der Börse alles mit rechten Dingen zu - wie auf jedem beliebigen Wochenmarkt. Nur daß hier kein Obst und Gemüse, sondern „unter strenger Kontrolle Aktien und festverzinsliche Wertpapiere gekauft und verkauft werden“. Auf dem Markt bekommt man wenigstens ab und zu faules Obst untergeschoben. Wo bleibt hier die Würze, wo bleiben hier Spekulanten, Puscher, Crashs, wo bleibt die Lust am Spiel in dieser sterilen Börsenwelt des Biedermannes ohne Brandstifter? Fast hätte ich die Risikokarten vergessen, die dazu dienen, das Spiel unberechenbarer zu gestalten; aber die sind so kribbelig wie eingeschlafene Füße und dazu noch falsch: Oder will uns der Otto Maier–Verlag wirklich weiß machen, daß bei einer kriegerischen Auseinandersetzung die Aktienkurse fallen? Börsenspiel. Otto Maier–Verlag, Ravensburg. 47.50 DM