Aquino vollendet ihre Revolution der Mitte

■ Die philippinische Präsidentin bildet ihr Kabinett um / Die meisten Minister dürfen bleiben, aber die Technokraten gewinnen an Boden / Nur 2 Mandatsträger wurden eindeutig gefeuert / Umstrittene Bürgermeister abgesetzt / Alle wahren das Gesicht

Aus Manila Nina Boschmann

Seit die philippinische Präsidentin Corazon Aquino am vergangenen Wochenende nach einem vermutlich von ihrem Verteidigungsminister eingefädelten Putschversuch ihr gesamtes Kabinett zum Rücktritt zwang, hat die Hauptstadt Manila ein neues Gesellschaftsspiel: darf Sanchez bleiben, wird Pimentel wiederkommen, wie lange hält sich Arroyo, was ist mit Laurels Schnupfen? Laut, gehässig und ausführlich wird in Büros und Zeitungen über das Schicksal der gewesenen und zukünftigen Minister spekuliert, Pöstchen vergeben, Namen gepuscht, die am Folgetag schon wieder out sind. Angestellte und Anhänger einzelner Kabinettsmitglieder veranstalten sit–ins vor den Ministerien, um ihre Loyalität zu den Ex–Vorgesetzten zu bekunden. Die Gewerkschaften, allen voran die Linke KMU, drohen falls ihr Favorit gekippt werde, könne sie für nichts garantieren. Doch zumindest die halbe Aufregung ist umsonst. Die meisten Minister bleiben, d. h. nachdem die unmittelbare Putschgefahr vorbei ist, wird ihr Rücktritt nicht akzeptiert. Die heiklen Fälle werden hinausgeschoben, bis man einen Kompromiß mit oder ein neues Pöstchen für die Betroffenen gefunden hat und ansonsten hofft Aquino auf die heilsame Wirkung der Zeit: spätestens im nächsten Frühjahr, wenn Interessenten ihre Kandidatur bei den Parlamentswahlen im Mai bekanntgeben, müßten die Sessel geräumt werden. Das Gesicht wahren, heißt die Devise. Außer dem hinlänglich diskreditierten Verteidigungsminister Enrile wurden bisher nur zwei Mandatsträger eindeutig gefeuert: Ernesto Maceda, Minister für Bodenschätze und natürliche Ressourcen, und Rogacianm Mercado, Minister für öffentliche Bauten, deren beider Entlassung am gestrigen Freitag bekanntgegeben wurde. Beide wurden von keiner Fraktion mehr gestützt. Maceda, ein rechter Politiker aus dem Dunstkreis von Außenminister und Aquino–Vize Laurel, wurde kürzlich von der „Presidential Commission on good Government“ überführt, Enriles illegale Holzeinschlag–Lizenzen verlängert und gedeckt zu haben, wo bei einiges für sein Privatportemonaie abgefallen sein soll. Mercado war nach der jüngsten Flutkatastrophe in Manila wegen allgemeiner Inkompetenz unter Beschuss geraten. Aus den mittleren Rängen wurde Homobono Adaza geschasst, ein ebenfalls eng mit Enrile liierter Politiker von der Insel Mindanao, der verschiedene hohe öffentliche Ämter bekleidete und vor Monaten versuchte, in seiner Heimatregion die Unabhängigkeit auszurufen. Im Fall des wegen seiner Perso nalpolitik umstrittenen aber sehr polulären liberalen Ministers für Lokalverwaltung, Pimentel, zeichnet sich ein Kompromiss ab: er bleibt und leitet entweder Anfang kommenden Jahres die Kampagne für die neue Verfassung oder er tritt zurück und kandidiert als Senator. Dafür werden die von ihm ernannten und vom Militär als zu links betrachteten Bürgermeister abgesetzt, was auf lokaler Ebene zu erheblichen Turbulenzen führen dürfte. Das Schicksal des von den Unternehmern als allzu gewerkschaftsfreundlich betrachteten Arbeitsministers ist noch nicht endgültig entschieden. Da ihm aber keine Skandale anzulasten sind, wird wahrscheinlich alles beim alten bleiben. Dasselbe gilt für den Aquino– Superberater Joker Arrozo, der wegen seines umfassenden Einflusses oft als „little president“ tituliert wurde. Man will ihm lediglich ein paar Hilfen zur Seite stellen. Vollkommen auf Tauchstation gegangen ist Aquino–Vize und Außenminister Salvador Laurel, der sich in den letzten Monaten mit zahlreichen Stänkereien gegen Aquino auf Enriles Seite geschlagen hatte. Er liegt mit einer Erkältung im Krankenhaus und wartet offenbar auf bessere Zeiten für sich und die seinen, da man ihn als Vize ohnehin nicht absetzen kann. Trotz dieser relativ bescheidenen Veränderungen wird der Einfluß der Technokraten im Kabinett eindeutig gestärkt. Für die beiden gestern geschassten Minister werden Vicente Paterno und Vicente Jaime nachrücken. Beide gehören zu den selbstbewußten und einflußreichen Teilen der nationalen Bourgeoisie. Sie werden bruchlos mit den anderen sauberen Technokraten wie Finanzminister Ongpin oder Handelsminister Concepcion zusammenarbeiten können, doch gesellschaftspolitische Reformen sind von ihnen nicht zu erwarten. Die Revolution der Mitte geht ihren Weg.