U–Boot–Pläne wurden bereits 1985 verhökert

■ Von Kohl bis Stoltenberg: Alle wußten vom Verkauf der U–Boot–Pläne an Südafrika, keiner fühlt sich verantwortlich

Bonn (taz) - Bereits vor dem Sommer 85 haben die Kieler Howaldts werke (HdW) und das Ingenieurs– Kontor Lübeck Teile von Konstruktionsplänen für U–Boote nach Südafrika verkauft. Wie Kanzleramtsminister Schäuble gestern vor der Bundespressekonferenz mitteilte, hat Wirtschaftsminister Bangemann (FDP) am 18.6.85 in einem „Sondierungs– Gespräch“ mit dem Geschäftsführer des Lübecker Ingenieurs–Kontors erfahren, daß „gewisse Unterlagen“ bereits nach Südafrika geliefert worden seien. Bangemann habe diesen Hinweis geprüft und den Vorgang dann an Finanziminister Stoltenberg abgegeben. Dieser habe am 14.11.85 die Oberfinanzdirektion Kiel eingeschaltet, erklärte Schäuble. Bei der HdW handelt es sich um ein staatliches Unternehmen. Erst Anfang November 86 hat die Oberfinanzdirektion Kiel gegen die HdW ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach Darstellung von Schäuble habe die HdW seit Sommer 84 bei verschiedenen Regierungsstellen „sondiert“, ob der Export von U– Booten oder von Konstruktionsplänen eine Aussicht auf Genehmigung hätte. Diese „Sondierungen“ hätten sich jedoch „nicht zu einem Antrag verdichtet“, sagte Schäuble. Damit erhärten sich Informationen, wonach die HdW ursprünglich nicht nur Blaupausen, sondern fertige U–Boote liefern wollte. In diesem Fall müßten auch die Firmen Siemens und Ferro–Stahl eingeweiht gewesen sein, die mit HDW und dem Ingenieurs– Kontor Lübeck ein Konsortium im U–Boot–Bau bilden. Ursel Sieber Fortsetzung auf Seite 2

Schäuble bestätigte auch, daß Bundeskanzler Kohl von CSU– Chef Strauß auf die Export–Wünsche der HdW angesprochen worden sei. Zur Strauß–Äußerung in der „Bild–Zeitung“ - „Von diesem (Kohl, die Red.) habe ich eine positive Antwort erhalten“ sagte er, Kohl habe nur „in Aussicht gestellt, daß man das prüft“. Ob man darin bereits eine Zusage sehen wolle, sei „eine Frage der Interpretation“. Daß Kohl in jenem Gespräch mit Strauß die Möglichkeit von Waffenlieferungen an den Apartheid–Staat nicht sofort ausgeschlossen hat, versuchte Schäuble herunterzupielen. Es entspreche doch „einem vernünftigen Umgang miteinander, daß man sich nicht gleich ins Wort fällt, sondern sagt: das prüfen wir“, so der Kanzleramtsminister. Der Kanzleramtsminister bestritt vehement eine besondere Verantwortung von Finanzminister Stoltenberg. Wenn dieser solche Weisungen erteilt hätte, würde er sich den „Vorwurf der Begünstigung“ einhandeln. Unklar blieb gestern, weshalb zwar die Minister Stoltenberg und Bangemann, nicht jedoch die schleswig–holsteinische Landesregierung in das Südafrika–Geschäft eingeweiht waren. Der SPD–Politiker Norbert Gansel hat der Bundesregierung unterdessen vorgeworfen, bei den informellen „Sondierungs–Gesprächen“ mit der HdW einen großzügigen Eindruck hinterlassen zu haben. „Es erscheint uns gänzlich unwahrscheinlich, daß der Vorstandsvorsitzende des Bundesunternehmens ausschließlich aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko gehandelt hat“, sagte Gansel. Die SPD vermutet, Regierungsmitglieder oder die zuständigen Beamten in den Ministerien hätten den Eindruck vermittelt, ein Waffenexport nach Südafrika werde zwar prinzipiell befürwortet, man fürchte jedoch die öffentliche Kritik. Die Frage sei, ob die Bundesregierung der Werft zu verstehen gegeben hätte, besser auf schwarzen Kanälen zu liefern oder ob das Unternehmen - ohne einen Antrag zu stellen - „davon ausgehen konnte, seine Schwarzmarktlieferung werde von der Bundesregierung gedeckt“. Laut Schäuble hat der Bundessicherheitsrat für den Export von sechs U–Booten in den Iran im Herbst 1978 eine Herstellungsgenehmigung erteilt, diese jedoch am 11.10.85 nicht mehr verlängert.