„Gelenkte Demokratie“

■ Südkorea: Peoples Power gegen faule Kompromisse

Südkorea sei eine „gelenkte Demokratie“, gibt Staatspräsident Chun Doo–Hwan gern zum Besten. Wer ihm beim Lenken hilft, wurde am Samstag in Seoul wieder aufs Dramatischste sichtbar: die Polizei, sogenannte Einheiten „zur Aufstandssbekämpfung“, der Geheimdienst KCIA und das Militär. Mit diesem Apparat zementiert der Ex–Militär seine Macht, seit er sich als Initiator eines blutigen Massakers gegen das koreanische Volk 1980 an die Staatsspitze putschte. Doch diese Macht beginnt zu bröckeln. Chun und seine Gerechtigkeitspartei können sich nur noch auf eines verlassen, um dem landesweiten Bündnis von inner– und außerparlamentarischen Oppositionsgruppen entgegen zu treten: abriegeln, verbieten, unter Hausarrest stellen, zusammenschlagen, einsperren und foltern. Die Demonstration vom Samstag in Seoul ist nur der vorläufige Höhepunkt einer landesweiten Kampagne der Opposition. Mit dem Ziel, zehn Millionen Unterschriften für einen Rücktritt des verhaßten Diktators Chun und für eine Verfassungsänderung zu sammeln, gingen schon im Frühjahr im Süden des Landes mehrere hunderttausend Koreaner auf die Straße. Unter dieser Übermacht der koreanischen „peoples power“ hatte Chun seinen Rücktritt zum Olympiajahr 1988 angekündigt und wollte mit der Opposition einen Kompromiß zur angeblichen „friedlichen Machtübergabe“ aushandeln. Was das Volk von solchen faulen Kompromissen und taktischen Hinhaltemanövern hält, zeigen die Ereignisse vom Wochenende genauso wie die Studentenproteste vor vier Wochen. Südkoreas Oppositionspolitiker müssen sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob der Preis, den Chun für einen Kompromiß von ihnen verlangt, nicht bald der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber dem Protest der Straße ist. Jürgen Kremb