Schüler– und Studentenstreiks in Paris gehen weiter

■ Premierminister Chirac kündigt Beratung im Parlamentsausschuß an / Änderung des Reformgesetzes nicht geplant / Studenten stimmten über Besetzung der Universitätsgebäude ab

Aus Paris Georg Blume

Premierminister Jacques Chirac setzt auf Zeitgewinn und die nahenden Weihnachtsferien, während sich die neue Studentenbewegung weiter radikalisiert. In einem einstündigen Fernsehinterview am Sonntagabend äußerte sich der Regierungschef erstmalig zu den Schüler– und Studentenstreiks der letzten Woche. „Ich gebe zu, daß Mißverständnisse, aber auch Ungeschicklichkeiten der Regierung die Proteste herbeigeführt haben“, so Chirac. Gleichzeitig kündigte er an, daß das neue Universitätsgesetz, gegen das sich die Proteste richten, für ein bis zwei Wochen im Parlamentsausschuß, an den es am Freitag überwiesen wurde, beraten wird. Was die Beibehaltung des Reformkerns betrifft, äußerte sich der Premierminister eindeutig. Bei den Beratungen handelt es sich für ihn um eine präzisierende Klärung, nicht aber um eine grundsätzliche Abänderung des Gesetzes. Die Schüler und Studenten hatten von Chirac nichts anders erwartet. An den Oberschulen beschlossen die Vollversammlungen am Montagmorgen die Wiederaufnahme des Unterrichts bis Donnerstag. An diesem Tag wird in Paris zur nationalen Großdemonstration aufgerufen. „Wir weichen jetzt einen Schritt zurück, um am Donnerstag alle da zu sein“, erklärt ein Schüler. „Nur so können wir monatelang durchhalten.“ Die Gymnasiasten sind, anders als die Studenten, dem direkten Druck von Eltern und Schulleitungen ausgesetzt. Von einer Demobilisierung will dennoch niemand sprechen. In den Schulen sollen auch weiter jeden Tag Vollversammlungen abgehalten werden. An den Universitäten stimmten die Vollversammlungen am Montag über die Besetzung der Gebäude ab. Die Fortsetzung des Generalstreiks steht außer Frage. Acht der 13 Pariser Unis beschlossen die Tag– und Nachtbesetzung. Am Montag wurden bereits Gegenveranstaltungen von Dozenten gehalten, die mit dem Streik symphatisieren. Für heute sind Rockkonzerte geplant. Mit den Besetzungen sollen die Streikbüros ständig arbeitsfähig bleiben, um die Demonstration am Donnerstag vorzubereiten. Bis dann wird man warten müssen, um das Kräfteverhältnis zwischen Bewegung und Regierung beurteilen zu können.