: Mysteriöses Hasensterben in Hessen
■ In Süd– und Mittelhessen verenden Tausende von Hasen / Veterinäramt stellt Gelbsucht als Todesursache fest / Hintergrund der Epidemie ungeklärt / Landwirtschaftsministerium verbietet Hasenjagd
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) - „Wenn schon Wildbret, denn Hasenbraten“, meinte Hessens Sozialminister Armin Clauss noch vor Monatsfrist - angesichts der relativ niedrigen Belastung des Hasenfleischs mit den Radionukleiden Cäsium 134 und 137. Doch die „Waidmänner“, die auf der Pirsch nach den gefräßigen Mümmelmännern die Äcker Hessens durchstreifen, haben den wartenden Köchen nur noch „Schmalhans“ anzubieten. Dort, wo noch vor Jahresfrist Hunderte von Hasen bei den Treibjagden auf den Strecken blieben, finden sich allenfalls noch zwei oder drei Exmplare der Gattung „Leporidae“. Hessen wird von einem mysteriösen Feldhasensterben heimgesucht, das jetzt auch auf andere Bundesländer übergreift. Noch hat auch das hessische Ministerium für Landwirtschaft und Forsten keinen genauen Überblick über den Umfang des Massensterbens, doch die Art sei „ernsthaft bedroht“, meinte der Sprecher des Ministeriums, Peter Niederelz. Die Tiere verenden in der Regel qualvoll, wie Jäger berichteten: Die todkranken Hasen springen unter Schmerzen hoch und werden - ehe sie verenden - von Krämpfen geschüttelt. Seit Wochen forschen Veterinärmediziner an der Universität Gießen, in der landeseigenen Darmstädter Versuchsanstalt und in den staatlichen Vetrerinärämtern des Landes ergebnislos an den toten „Objekten“, die von den Jägern und Förstern zu Hunderten von den Feldern gelesen werden. Die erste Annahme, daß den Langohren eine in Hessen neu angepflanzte Rapssorte mit einem höheren Nitratgehalt nicht bekommen sei, mußte schnell wieder fallengelassen werden. In dem Raps, dem die Bitterstoffe entzogen wurden, fanden die Wissenscha Ursache für das Hasensterben sei, erwies sich als falsch. Nach Untersuchungen der Haseninnereien, insbesondere der Hasenleber durch das staatliche Veterinär– Untersuchungsamt Gießen, stellte Ministeriumssprecher Niederelz fest, daß auch eine der bekannten Feldhasen–Viruserkrankungen, wie etwa die Coccidiose, auszuschließen sei. Niederelz: „Wir lassen fieberhaft weiterforschen.“ Fest steht bisher nur, daß die Feldhasen an einer Gelbsucht sterben. „Aber die Ursachen dafür sind uns immer noch nicht bekannt“, erklärte Veterinärmediziner Manz resigniert. Die Auffassung des Ministeriums, daß die Art bedroht sei, konnte Manz allerdings nicht teilen. Es habe, so Manz, in den letzten Jahren ohnehin zuviele Hasen gegeben, „und wenn eine Population zu dicht ist, kommt es oft zu Krankheiten“. In den letzten Wochen wurde auch in anderen Bundesländern ein ähnliches Hasensterben beobachtet. So sollen in Bayern, in Niedersachsen und in Baden–Württemberg Hasen ohne Schroteinwirkung auf der Strecke geblieben sein. Hessens Landwirtschaftsminister Willi Görlach hat inzwischen die Jagd auf den Feldhasen verboten.
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