Flüchtlinge wollen nicht in Baracken

■ Iraner wehren sich in Tübingen mit einem Hungerstreik gegen eine Verlegung und die Einweisung in Baracken / Ausgleich wegen Flüchtlingsquoten angeblich notwendig / Solidaritätsaktion in Freiburg

Aus Tübingen Joachim Zepelin

Zur Unterstützung der in Tübingen hungerstreikenden Iraner besetzten gestern zwanzig Personen das Freiburger Auslandsamt. Die Iraner protestieren gegen eine Verlegung von Tübingen nach Wangen im Allgäu. In der schwäbischen Universitätsstadt wurde ihr Anliegen durch eine Demonstration unterstützt. Seit dem vergangenen Dienstag hängt vor dem evangelischen Gemeindezentrum „Lamm“ am Marktplatz ein Transparent mit der Aufschrift: „Freie Flüchtlingsstadt Tübingen“. Hinter diesem Schriftzug, in den unteren Räumen des Gebäudes, befinden sich 25 iranische Asylbewerber im unbefristeten Hungerstreik für „menschenwürdige“ Unterkünfte. Die Auseinandersetzungen begannen, als die Flüchtlinge am Montag letzter Woche vom Tübinger Sammellager für rund 400 Asylbewerber in der „Thiepval– Kaserne“ in die Stadt Wangen im Allgäu verlegt werden sollten. Wangen hat seine nach dem baden– württembergischen Asylbewerberzuweisungsgesetz vorgesehene Flüchtlings–Quote noch nicht erfüllt. Um diesen Zustand ändern zu können, errichtete die dortige Stadtverwaltung am Ortsrand eine Holzbaracke, die vor zwei Wochen fertig wurde. Sie besteht aus zwölf Räumen mit jeweils 13,5 Quadratmetern, zwei Küchen, zwei Toiletten, zwei Duschen und vier Waschbecken und Pissoirs. Nach den Vorstellungen der Wangener Stadtverwaltung ist diese Unterkunft für 36 Asylbewerber geeignet. Das Gesetz gibt ihnen recht, denn dort sind pro Flüchtling viereinhalb Quadratmeter vorgeschrieben. Über Hellhörigkeit, Warmwasserversorgung und Wohnumfeld steht dort nichts. Die Iraner stiegen in der letzten Woche gleich wieder in ihren Reisebus, nachdem sie die Baracke inspiziert hatten, und ließen sich zurück nach Tübingen bringen. In das dortige Lager wollten sie allerdins auch nicht mehr. Nach Verhandlungen mit der Tübinger Lagerleitung wurde ihnen zunächst gestattet, in der Nacht von Montag auf Dienstag in Privatquartieren bei Freunden zu übernachten. Am Dienstag besetzten sie dann das Gemeindezentrum der evangelischen Kirchengemeinde am Tübinger Marktplatz und traten dort in einen Sitzstreik, den sie am Mittwoch morgen in einen unbefristeten Hungerstreik umwandelten. Im Verlauf der Woche scheiterten mehrere Gespräche zwischen Vertretern der Hungerstreikenden und der Behörden. Am Freitag wies schließlich das für die Verteilung zuständige Regierungspräsidium in Tübingen die Stadt an, eine ausländerrechtliche Verfügung zu erlassen, mit der den Flüchtlingen der Aufenthalt in Tübingen verboten wird. Dieser Weisung kam das Tübinger Amt für öffentliche Ordnung mit einer „Verpflichtung zur Wohnsitznahme in Wangen“ am Samstag morgen nach. Nachdem sich die Stadtverwaltung Wangen bereiterklärt hatte, die Belegungszahl auf 30 zu senken, erklärten sich die Hungerstreikenden einverstanden, die Baracke mit 20 zu bewohnen. In der Verpflichtung vom Samstag wurde den Asylbewerbern eine Frist bis zum gleichen Abend um 20 Uhr gesetzt. Anderenfalls, so hieß es, „werden Sie zwangsweise der Gemeinschaftsunterkunft in Wangen zugeführt“. Die Iraner ließen die Frist verstreichen und einen zur Verfügung gestellten Bus leer abfahren. Dies aber nur, wenn vorher vergleichbare Unterkünfte für alle 25 Hungerstreikenden verbindlich zugesagt werden. Diesen Vorschlag lehnten die Städte Wangen und Tübingen ab.