Wie die Rüstungsindustrie „sondiert“

■ Die Lieferung von U–Boot–Konstruktionsplänen an Südafrika zeigt die Grauzonen des Waffenexports

Ende letzter Woche war die Aufregung groß. Die bundeseigene Werft HDW, so wurde ruchbar, hat Blaupausen zum U–Boot–Bau an den Apartheidstaat geliefert. Trotz weltweiten Waffenembargos gegen Südafrika gelang es den Managern offenbar mühelos, in Bonn eine augenzwinkernde Zustimmung zu erhalten. Warum dies möglich war, zeigt erst ein Blick auf die informellen Kanäle der Waffenhändler.

Bonn (taz) - Auf eine Bemerkung legt Kanzleramtsminister Schäuble ganz besonderen Wert: Wegen der Lieferung von U–Booten oder Blaupausen nach Südafrika haben natürlich „sondierende Gespräche“ zwischen Regierungsstellen und dem Kieler Kriegsschiffsbauer HdW stattgeunden; „amtliche Vorgänge“ aber hat es nie gegeben. Schließlich sei es „völlig normal, daß man sondierende Gespräche führt“, auf Empfängen oder auch am Rande der Bundespressekonferenz, ergänzt Wolfang Schäuble mit treuherzigem Blick. So versucht Schäuble „den Vorgang“ herunterzuspielen, den Regierungsapparat, vor allem seinen Bundeskanzler persönlich aus der Schußlinie zu bringen, und rückte damit unversehens den Lobbyismus der auf Exporte drängenden Rüstungshersteller ins Blickfeld. Die nämlich hätten es ohne Sondierungen, ohne das Vorfühlen beim Minister und die vielen „informellen“ Gespräche längst nicht so weit gebracht. Auch der Vorstand einer bundeseigenen Werft wäre ohne positive Resonanz aus den so harmlos klingenden „Sondierungs–Gesprächen“ wohl kaum auf die Idee gekommen, mit dem Verkauf von Konstruktionsplänen an den Apartheid–Staat schon einmal anzufangen. Eigentlich ist alles ganz klar: Formal muß eine Rüstungsfirma einen Exportantrag beim Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft stellen und abzeichnen lassen. Fallen die Waffen unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, leitet das Bundesamt den Antrag zu den Beamten im Bonner Wirtschaftsministerium weiter. In schwierigen Fällen müssen von den Kollegen im Außen– und Verteidigungsministerium Stellungnahmen eingeholt werden, und in besonders brisanten Fällen kommt der Antrag in den Bundessicherheitsrat. So steht es auf dem Papier. In der Praxis hat sich längst ein Verfahren eingebürgert, das die Rüsungsindustrie systematisch zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Der frühere Mitarbeiter des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, Michael Brzoska, hat ausführlich beschrieben, wie solche Waffengeschäfte in der Regel angeleiert werden: Da kommen Vertreter der Rüstungsindustrie mit ihren Export–Wünschen zu den zuständigen Beamten in das Wirtschafts–, Außen– und Verteidigungsministerium. Im persönlichen Gespräch bis zum Minister wird dann abgeklopft, wie die Erfolgsaussichten für die einzelnen Verkaufswünsche einzuschätzen sind. Erst nach solchen Beratungen steigen die Firmen in konkretere Verhandlungen mit den Empfängerländern ein. Die Vorteile eines solchen Verfahrens hat der Rüstungslobbyist Griephan so beschrieben: „Mit den Erkenntnissen aus diesem Gespräch läßt sich die schriftliche Voranfrage bzw. der endgültige Genehmigungsantrag dann erheblich leicher und risikoloser formulieren. Sie (Die Firmen, d. Red.) können weglassen, was die Bundesregierung stören könnte oder ihre Genehmigung erschwert. Sie können hineinschreiben, was der Bund zur Erleichterung des Genehmigungsverfahrens gern drin hätte.“ Zu einem „amtlichen Vorgang“, einer schriftlichen „Voranfrage“ an den Bundessicherheitsrat kommt es erst dann, wenn die Referenten in den Ministerien im Zweifel sind, wie die Minister entscheiden, oder wenn die Rüstungsfirma wegen des hohen finanziellen Risikos auf einer schriftlichen Zusage besteht. So ist der Ausgang des Verfahrens im Grunde längst entschieden, wenn die Hersteller eine „richtige“ Herstellungs– und Exportgenehmigung beantragen. Nun konnte HdW die Resonaz aus Bonn als informelles Ja–Wort begreifen - auch wenn Bundeskanzler Kohl dem CSU–Chef Strauß nur zusagte, das U–Boot– Geschäft mit Südafrika trotz UN– Embargo zu „prüfen“ (so die Schäuble– Interpretation), und keine „positive Zusage“ erteilte, wie CSU–Chef Strauß zu berichten weiß. Dennoch hätte das Bundesunternehmen HdW Blaupausen nicht ohne förmliche Genehmigung liefern dürfen. Die Frage bleibt, ob die notleidende Werft nicht sicher sein konnte, von den Eigentümern in Bonn und Kiel auch bei einer Schwarzmarktlieferung gedeckt zu werden. Schließlich hat HdW Anfang 1985 von Südafrika den Zuschlag für den 200 Millionen DM schweren Bau des Luxusliners erhalten. Ursel Sieber