Waffen an Südafrika

Bonn (taz) - Dem Grünen Ex– MdB Walter Schwenninger blieb es am Freitag letzter Woche vorbehalten, angesichts der hellen Aufregung über den Export von Konstruktionsunterlagen zum Bau von U–Booten durch die Firma Ingenieur–Kontor Lübeck und möglicherweise auch durch die HDW Kiel - an den alltäglichen Embargo–Bruch durch die Bundesregierung zu erinnern. In ihren bisherigen Antworten auf Anfragen der Grünen, so Schwenninger, hatte die Bundesregierung bereits zugeben müssen, allein in der Zeit von 1983 bis Ende 1985 Exportgenehmigungen im Wert von 722 Millionen DM für Südafrika erteilt zu haben. Da zivile Güter keiner Genehmigung bedürfen, kann es sich folglich nur um Militärmaterial handeln. Unbeantwortet blieben die Fragen der Grünen Abgeordneten Annemarie Borgmann nach Art, Umfang und Beschaffenheit der genehmigten Waren. Mehr als die Globalzahlen für die einzelnen Jahre mochte die Bundesregierung nicht preisgeben. Grundsätzlich nichts genaues „Die Bundesregierung muß grundsätzlich davon absehen, Zahlen und Tatsachen, die ihr im Rahmen behördlicher Genehmigungsverfahren bekanntgeworden sind, so detailliert weiterzugeben, daß Rückschlüsse auf Einzelgeschäfte möglich sind“, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Martin Grüner im Rahmen einer umfangreichen Korrespondenz mit der Grünen– Abgeordneten. In einem weiteren Schreiben an Anne Borgmann wandte sich Grüner entschieden gegen den Eindruck, aus einer bestimmten, von ihm verwandten Formulierung sei abzulesen, „daß es sich bei den Ausfuhrgenehmigungen nach Abschnitt A und B des Teils I der Liste um je ein Einzelgeschäft gehandelt hätte...“ Die von Grüner erwähnte Einteilung bezieht sich auf die Ausfuhrliste, die einen Teil des Außenwirtschaftsgesetzes darstellt und den Genehmigungen zugrunde liegt. Im - von Grüner erwähnten „Teil I, A“ sind „Waffen, Munition und Rüstungsmaterial“ und in Teil I, B Komponenten der sogenannten „Kernenergieliste“ erfaßt.In einem weiteren Teil C der Ausfuhrliste sind „sonstige Waren von strategischer Bedeutung“ erfaßt, dazu gehören Sprengstoffe, unbemannte Raketen, Waffenfabrikationsanlagen, allesamt Waren, die nach Auffassung der Grünen ebenfalls unter das völkerrechtlich verbindliche Rüstungsembargo der UNO vom 4. November 1977 erfaßt sind. Schrotmunition nein - Hubschrauber ja In der entsprechenden UNO– Resolution 418 - die von der Bundesregierung mit beschlossen wurde - heißt es, daß „alle Staaten ab sofort die Lieferung von Waffen und dazugehörigem Material aller Art nach Südafrika einzustellen haben, einschließlich des Verkaufs oder der Weitergabe von Waffen und Munition, von Militärfahrzeugen und -ausrüstungen, von paramilitärischer Polizeiausrüstung sowie von Ersatzteilen für die vorgenannten Gegenstände und daß sie die Gewährung von Lizenzvereinbarungen für die Herstellung der vorgenannten Rüstungsgegenstände einzustellen haben.“ Wie die Praxis der Exportgenehmigung ausschaut, verdeutlichte das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft. Sein Pressesprecher Waldmann erklärte gegenüber Walter Schwenninger, sein Amt habe „erst kürzlich einer Firma den Export von Schrotmunition“ sowie in einem weiteren Fall die Lieferung eines „simplen Revolverhandgriffs aus Holz“ nach Südafrika abgelehnt - unter Hinweis auf das Embargo. Andererseits durften die - seit 1982 mindestens insgesamt 18 MBB– Polizeihubschrauber sogar genehmigungsfrei nach Südafrika exportiert werden, weil sie angeblich „nicht unter das Embargo fallen“. „Dies“, so bestätigte das Bundeswirtschaftsministerium, „ist bei zivilen Hubschraubern nicht der Fall.“ Südafrikas damaliger Polizeiminister Louis Le Grande hatte dagegen anläßlich der erst im vergangenen Jahr exportierten fünf MBB–Hubschrauber an die südafrikanische Polizei korrekterweise erklärt, die Helikopter würden „für Aufstandsbekämpfung“ eingesetzt. Der Wert dieser Hubschrauber ist in den Angaben der Bundesregierung über erteilte Genehmigungen für Südafrika nicht enthalten, weil sie ja angeblich keiner Genehmigung bedurften. Ebenso zu den 722 Mio. DM nicht dazugerechnet sind jene Panzertransport–Fahrzeuge der Memminger Firma Goldhofer, von denen im Herbst 1984 47 und Anfang 1985 weitere 30 Stück nach Südafrika geliefert wurden. Trotz eindeutig militärischer Spezialausführung (Sonderlackierung, Tarnbeleuchtung) wurden sie als „Baustellenfahrzeuge“ deklariert und genehmigungsfrei mit Kenntnis und Zustimmung der Bundesregierung nach Südafrika exportiert. ABC–Krieg genehmigungsfrei Noch Ende 1984 konnte die Firma Alfred Kärcher, Winnenden in Kempton Park, Südafrika einen neuen Zweigbetrieb errichten. Weil dieses Unternehmen auf die Abwehr von ABC–Waffen spezialisiert ist und entsprechende Ausrüstung für die NATO–Länder liefert, erstatteten Anti–Apartheid–Aktivisten Anzeige wegen des offensichtlichen Embargo– Bruchs. In ihrer Einstellungsverfügung vom 28. Juni 1985 erklärte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Stuttgart den Deal für Rechtens. „Die Ermittlungen haben ergeben, daß die speziell für die Dekontamination entwickelten, aber auch für andere Reinigungszwecke einsetzbaren Geräte Deco–Trailer bzw. Deco–Jet nach den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz bzw. der Außenwirtschaftsverordnung keiner Ausfuhrgenehmigung bedürfen. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat deshalb am 1. Oktober 1984 die von der Firma Kärcher beantragte Negativ–Bescheinigung gemäß § 11 Abs. 1 der Außenwirtschaftsverordnung erteilt.“ Negativbescheinigungen werden erteilt, wenn eine Ware genehmigungsfrei exportiert werden darf. Damit wurde Südafrika in die Lage versetzt, seine Armee nun auch in einem hypothetischen ABC–Krieg einzusetzen. Helmut Lorscheid