Schmücker–Skandal: „V–Mann“ dementiert

■ Die Schlüsselfigur eines Aufsehen erregenden Spiegel–Berichtes bestreitet dessen Richtigkeit Berliner Innensenator soll Bericht über Mitarbeit beim Verfassungsschutz dementieren

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - In dem an Skandalen ohnehin reichen Verfahren um die Ermordung des Berliner Studenten und Verfassungsschützers Ulrich Schmücker wartete der Spiegel im September dieses Jahres mit einem neuen Skandal auf, den der Berliner Innensenator nur mit Mühe und nur zum Teil wieder unter den Teppich kehren konnte: Der Verfassungsschutz, so hatte der Spiegel bisher undementiert berichtet, habe von den Mordplänen an seinem Informanten Schmücker sehr wohl gewußt und über einen V–Mann sogar unmittelbar nach der Tat im Juni 74 die Tatwaffe in Empfang genommen und halte sie seitdem auch vor den Gerichten unter Verschluß. Überbringer der Tatwaffe und damit Schlüsselfigur der Spiegel– Story ist ein Mann namens Volker Weingraber, der jahrelang in der linken Szene unerkannt als V– Mann gearbeitet haben soll. Eben dieser Volker Weingraber hat jetzt in einer schriftlichen Erklärung, für deren Echtheit sich die Verteidiger im Schmücker– Prozeß persönlich verbürgen, die Aussagen des Spiegel–Berichts entschieden bestritten. In seiner, den Anwälten des Verfahrens jetzt vorliegenden Erklärung, wirft der vom Spiegel als „Spitzel aus der Tarantel“ und als „tüchtiger V– Mann“ bezeichnete Weingraber dem Nachrichtenmagazin eine „falsche und leichtsinnige Berichterstattung“ vor, die eine Gefährdung seiner Person darstelle. Weingraber stellt weiter fest: „Ich habe nie für eine Verfassungsschutzbehörde, einen anderen Geheimdienst oder die Polizei gearbeitet. Ich habe nie von Herrn Weßlau (einem der Angeklagten des Verfahrens, d. Red.) ein Paket, eine Plastiktüte geschweige eine Schußwaffe übernommen. Ich habe nie eine Waffe einem Verfassungsschützer oder an einen von deren Beamten übergeben.“ Sollten diese Angaben Weingrabers stimmen, dann wäre die Enthüllung falsch, mit der der Spiegel im September einerseits den Berliner Verfassungsschutz und dessen Dienstherrn, den Innensenator, in die Bedrouille brachte, andererseits aber auch die wegen Mordes an Ulrich Schmücker Verurteilten belastet hatte, die zur Zeit gerade um die Revision ihres Urteils kämpfen. Weingraber selbst hat seine Gegendarstellung nur schriftlich vorlegen können. Nach Angaben des Magazins lebt er „vom Verfassungsschutz mit neuen Aufgaben betraut“ im Ausland. Die Verteidiger im Schmücker–Prozeß, denen Weingraber jetzt seine Erklärung mit dem Dementi seiner V– Mann–Tätigkeit zukommen ließ, haben ihrerseits Stillschweigen über dessen Aufenthaltsort zugesichert. Unabhängig davon, ob die Version des Spiegel oder die Weingrabers stimmt, ist jetzt der Berliner Innensenator gefordert. Der nämlich hatte sich bislang mit dem Argument beharrlich in Schweigen gehüllt, durch eine Offenlegung des Vorgangs würden Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gefährdet. Damit, so argumentiert Weingraber in seiner Erklärung, gefährde der Innensenator jedoch erst Personen, nämlich ihn: „Daß der Berliner Innensenator den Spiegel–Bericht nicht dementiert, obwohl er es besser wissen muß, erhöht meine Gefährdung noch zusätzlich“, heißt es in seiner Erklärung. „Ich fordere den Berliner Innensenator auf, die falschen Behauptungen des Spiegels über mich zu dementieren.“