Ladenschluß: Parteien biedern sich der HBV an

■ Traute Einigkeit gegen jegliche Liberalisierung: „Keiner schiebt uns weg“

Von Thomas Gesterkamp

Düsseldorf (taz) - Kaum hatten Kaufhäuser, Supermärkte und Tante–Emma–Läden am Donnerstag abend ihre Pforten geschlossen, öffnete sich der Radschlägersaal in der Düsseldorfer Stadthalle: Zur symbolischen Zeit von 18 Uhr 30 lud die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) zu einem - wörtlich zu nehmenden - Feierabend. Geburtstag hatte das Ladenschlußgesetz: Seit nunmehr 30 Jahren legt es fest, daß Geschäfte nur bis halb sieben Uhr abends, am Samstag nur bis 14 Uhr gemacht werden dürfen. Sonderkonzessionen, zum Beispiel in der Nähe von Bahnhöfen, hatten diese Regelung schon in den vergangenen Jahren aufgeweicht. Ab 1987 planen Teile der CDU und vor allem die FDP, sogenannte „Dienstleistungsabende“ einzuführen: An einem Wochentag sollen die Ladentüren erst um 21 Uhr schließen müssen. Die Jubiläumsfeier der Gewerkschaft HBV, rechtzeitig zum Start des vorweihnachtlichen Rummels inszeniert, stand daher im Zeichen der Erhaltung des Status quo. „Keiner schiebt uns weg“ und „Wir haben frei bis morgen früh“ skandierten die Frauen vom Karstadt Erkrath; Mitarbeiter der Kaufhalle prophezeiten „Familienverdruß durch Ladenschluß“. „Wenn es schon so wäre, wie einige Leute vorhaben, dann wärt ihr jetzt noch hinter der Verkaufstheke und nicht hier im Saal“, begrüßte Dieter Steinborn, 2. Vorsitzender der HBV, die 1.500 Teil nehmer. Die folgende Podiumsdiskussion kam dank der Rundfunkmoderatorin Carmen Thomas ohne selbstgefällige Worthülsen der eingeladenen Politiker und Verbandsfunktionäre aus. Die WDR–Journalistin, an handfeste Kontroversen in ihrer Sendung „Hallo Ü–Wagen“ gewöhnt, zeigte sich nach dem ersten Durchgang (“jeder zwei Minuten“) überrascht: Fast schon verdächtige Einigkeit machte sich auf dem Podium breit. Selbst Günter Wassmann von der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels sprach sich gegen längere Ladenschlußzeiten aus, von denen er sich „keinen höheren Umsatz“ verspreche. Die CDU hatte klugerweise keinen Vertreter des Wirtschaftsrates, der eine Gesetzesänderung propagiert, sondern einen Sozialausschüßler geschickt. Adolf Hörsken diente sich dem Publikum an: „Ich verstehe mich in dieser Frage als Konservativer.“ Michael Geuenich vom DGB– Bundesvorstand und die nordrhein–westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) ließen endgültig Heimspielstimmung aufkommen. In hitziger Wahlkampfatmoshäre (“Keine Stimme den Ladenschlußgegnern“) mochte auch der Grüne Hubert Kleinert nicht hinten anstehen. Hinter der geplanten Gesetzesänderung stecke die politische Strategie, flexible Arbeitszeiten durchzusetzen. Zudem würden längere Öffnungszeiten den Konzentrationsprozeß im Einzelhandel beschleunigen. Zum stimmigen Feindbild der versammelten Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen avancierte Jürgen Schroer, der FDP– Bundestagskandidat in Düsseldorf. Sein Plädoyer für eine „Wiederbelebung der Innenstadt“ durch flanierende Kauflustige machte es dem übrigen Podium leicht, sich im wahlkämpferischen Schulterschluß mit den Gewerkschaften zu präsentieren. Umfragen, nach denen bis zu 70 Prozent der Bundesbürger eine Lockerung der Öffnungszeiten befürworten, blieben auf der Jubiläumsveranstaltung „30 Jahre Ladenschluß“ undiskutiert.