Grüne besetzen Klärwerk

■ Grüne Fraktion trifft sich zur Sitzung auf einem Rheindampfer / Kloake von Bonn nach Leverkusen hinabgeschippert / Bei Bayer wird das werkseigene Klärwerk besetzt / Antwort auf Einleitung gefordert

Aus Bonn Ursel Sieber

„Sie haben Ihren Fahrstuhl auch schon grün gestrichen“, witzelt die grüne Pressesprecherin Claudia Roth. Herr Dr. Hülpke, Umweltschutzbeauftragter der Bayer AG Leverkusen, reagiert pikiert, murmelt etwas von „Das war lange vor Ihnen“. Wir sind im „Info–Zentrum“ angelangt, ein kleiner, mit einigen Modellbauten geschmückter Raum: Eine Deponie und eine Kläranlage sind da aufgebaut; unter Glas liegt das Werksgelände von Bayer, dazwischen Wiesen in sattem Grün und einem tiefblauen Rhein. Ausgerechnet ins werkseigene Klärwerk wurde eine Delegation der grünen Bundestagsfraktion dirigiert, die sich für gestern mittag zu einem Gespräch bei dem Chemiegiganten Bayer angemeldet hatte. Und empfangen wurde sie nur von Dr. Hülpke, nicht vom Vorstand selbst. Morgens ging es von Bonn los; rheinabwärts in Richtung Leverkusen, auf der „Beethoven“, einem kleinen Dampfer, an Bord Vertreter von Umweltschutzverbänden, der grüne Bürgermeister von Leverkusen, Klaus Wolf, der Leverkusener Oberstadtdirektor Bruno Krupp sowie Abgeordnete und Mitarbeiter der grünen Fraktion, die die Reise auf der „Kloake der Chemieindustrie“ gleich zu ihrer Fraktionssitzung umfunktionierten. Bei Kaffee und Erbensuppe ging es um die Forderung nach einer „sanften Chemie“, die auf Naturstoff–Basis arbeiten soll. „Uns ist klar, mit wem wir uns da anlegen“, sagte Fraktionssprecherin Hönes. „Die Chemieindustrie ist der Machtfaktor in der Bundesrepublik“ und „der Arbeitgeber“. Doch wenn ein Industriezweig zur Umstellung der Produktion in der Lage sei, „dann ist es die Chemieindustrie“. Hannegret Hönes rief dazu auf, „die Akzeptanz der Chemieindustrie“ zu untergraben. Die Vorstandssprecherin Jutta Ditfurth rückte die „erlaubte Vergiftung“ von Flüssen und Nordsee ins Blickfeld: Alle Einleiter–Bestimmungen, die die Regierungspräsidenten den Chemieunternehmen genehmigten, müssten deshalb gekündigt und verschärft werden. Bayer Leverkusen belaste den Rhein so stark wie die Städte Karlsruhe, Heidelberg, Heilbronn, Wiesbaden, Frankfurt und Mainz zusammen, ergänzte ein Vertreter des „Vereins zum Schutz des Rheins“. Die Erlaubnisbescheide für die Einleitung von Chemikalien würden allerdings geheimgehalten, betonte der BI–Mitarbeiter. Einen Be scheid aus dem Jahre 81 hat der Verein jedoch ergattern können: Fast 50 Tonnen Schwermetalle durfte Bayer demnach pro Tag in den Rhein leiten. „Akteneinsicht“ lautete denn auch eine zentrale Forderung, die Hannegret Hönes im Namen ihrer Fraktion erhob, als man im Klärwerk angekommen war. Die Öffentlichkeit müsse endlich erfahren, welche Einleitungen in welcher Menge von der Landesregierung tagtäglich erlaubt seien; welche Mengen an schwergiftigen Chemikalien gelagert und wie diese Lager gesichert seien, forderten die Grünen. Hönes verlangte Einsicht in die „Bilanz der nicht–meldepflichtigen Betriebsstörungen“ und eine „verbindliche Erklärung“, in welchem Zeitraum problematische Chemikalien durch umweltverträgliche Stoffe ersetzt werden könnten. „Wir werden diesen Raum nicht verlassen, bis wir adäquate Antworten von einem Mitglied des Vorstands erhalten haben“, sagte Hönes schließlich. Worauf Herr Hülpke den Raum mit seinen zwei Begleitern verließ. Vereinbart worden sei ein Fachgespräch im kleinen Kreis, die Beteiligung eines Vorstandsmitgliedes sei nie zugesagt worden, sagte Dr. Hülpke, als er wiederkam. So sehe er keine Gesprächsgrundlage. Doch die Grünen bestanden auf ihren Forderungen, „höflich, aber bestimmt“, wie Willi Hoss sagte und haben das Klärwerk kurzerhand besetzt. Ohne ein Vorstands– Gespräch und ohne Einsicht in Einleiter–Bescheide wollten sie erst heute Mittag wieder abziehen.