Orden für den tierischen Ernst

■ Elisabeth die II von Gottes Gnaden, Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland und ihrer anderen Reiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth und Verteidigerin des Glaubens, bei der Arbeit

Aus London Rolf Paasch

Buckingham Palace, Mittwoch morgen 9.45 Uhr. Die ersten Touristen stecken neugierig ihre Köpfe durch die Gitterstäbe, um die Bärenfellmützen der königlichen Garde aus nächster Nähe zu bestaunen. Ein japanisches Pärchen läßt sich vor dem bekanntesten Gebäude Großbritanniens ablichten. Business as usual. Nein, doch nicht ganz. Abseits, am Nebentor, steht eine Gruppe fröstelnder Briten, die Frauen mit abenteuerlichem Kopfschmuck, die Männer mit verlängerten Rockschößen, und verlangt Einlaß ins königliche Geviert. „Was ist denn hier los?“ fragt ein Passant. „Investitures.“ „Was, bitte?“ „Heute gibts Orden. Ritterschlagen, verstehen Sie“, klärt ihn ein Befrackter mit hochmütiger Miene auf. Um zehn Uhr öffnen sich die Tore. Die Ritter in spe rollen in dunklen Limousinen in den Innenhof des Palastes. Die Familien trotten zu Fuß hinterher. „Ordensempfänger rechts“, „Angehörige links“. Aus der Empfangshalle geht es die Treppe hinauf, durch die Gemäldegalerie, wo Queen Victoria gerade gekrönt wird, wo fett–feiste Prinzenkinder in Pastellfarben durch den Hofgarten tollen. Zur Feier des Tages hat die Queen in den Ecken der Räume finster dreinschauende Hofgardisten postiert, denen der Blechhelm auf den Nasenrücken drückt. Der Palast als ABM–Maßnahme. Eintritt in die „State Hall“. Lange, mit rotem Samt bezogene Stuhlreihen warten auf platznehmende Ärsche, sechs Kronleuchter beleuchten die Jagdszenen der Wandteppiche und den Thron am Ende des Saales. Und nicht zu überhören, die Hofkapelle der „Irish Guards“, die muntere Wei sen spielt. Jede Schallplatte wäre besser gewesen als diese infame Kreuzung zwischen den Egerländer Musikanten und einem falsch gestimmten Kammerensemble. Vom Zeremonienmeister geführt, nimmt man erwartungsvoll Platz. Die Hüte, nein, diese Hüte. Rosa Plüsch mit schwarzem Netz, Safari–Look mit Pfauenfedern, drüben ein capitaler Plumpudding, und ganz vorne scheint sich eine zukünftige Adelsgattin gar eine ausgestopfte Wärmeflasche mit kariertem Bezug aufs Hirn gelegt zu haben. Die Herren der Schöpfung tragen der Tageszeit entsprechend einen „Morning Suit“. Das macht bei „Moss Brothers“, dem größten Kleiderverleiher Londons, genau 36 Pfund, inklusive Mehrwertsteuer für den Tag. Punkt elf Uhr. Ohne einen ihrer gefürchteten Hüte, aber mit ihrem Handtäschchen am Arm betritt das „lebende Symbol der Einheit der Nation“ den Saal. Alles springt auf, die Egerländer spielen, als wollten sie ihre Queen retten. „Elisabeth die Zweite von Gottes Gnaden, Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland und ihrer anderen Reiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth und Verteidigerin des Glaubens“ ist zur Arbeit erschienen. „The most honourable Order of the Bath, Honour of Knighthood, Knightcommander of St. Michael and St. George“, leiert Lord Chamberlain durchs Mikrophon und die 60jährige „Lilibet“ beweist gleich dem ersten Ordensempfänger ihre Schlagkräftigkeit. Vier weitere Ritter folgen, der Rest kriegt nur den „Orden des Britischen Empire“ oder noch kleinere Anhängsel. Die Ritter– und Adelswürden, so kritisiert der Schriftsteller John Walker das britische „Honours System“, seien für die vorbehalten, „die schon genug an Macht, Reichtum und Ehre besitzen.“ Die Queen kann dafür nix. Sie muß an die verleihen, die Margaret That cher vorgeschlagen hat. Alle elf Industriellen und 44 von 64 der zwischen 1979 und 1985 Geadelten arbeiten für Unternehmen, die auf der Spendenliste der Konservativen Partei stehen. Der Palast als Selbstbedienungsladen der To ries. Kein Wunder, daß sich die Königliche und die Eiserne Lady bei ihrem dienstäglichen Treffen nicht viel zu sagen haben. Die eine stehe für den „Konsens des Wohlfahrtstaates“, die andere für die „Wettbewerbsgesellschaft“, erklärt der Kolumnist Anthony Barnett die Spannungen zwischen den beiden Matronen. Drei steife Schritte, Verbeugung, das Revers hingehalten, ein kurzer Wortwechsel wie: „Was haben Sie denn gemacht?“ „Jemanden gerettet.“ „Das war aber tapfer.“ Händedruck, erneute Verbeugung und Abgang mit stolz geschwellter Brust. „Same procedure every year.“ Empfänger Nr. 33 ist die erste Frau. Auch Frauen tun Gutes, aber nicht so Wichtiges; darum gibts für sie nur einen niederen Orden, das „Königliche Kreuz“. So langsam wird das Oberhaupt der „family firm“ müde. Sie hat sieben Premierminister kommen und gehen sehen, unter ihrer 32jährigen Herrschaft ist das Empire zerbröckelt, so was zehrt denn doch. Bei Nr. 100 sind ihre Bewegungen fahrig geworden. Vornübergebeugt und mit leicht krauser Stirn hört sie den Danksagungen ihrer tapferen Bürger zu. Auch das Publikum wird langsam unruhig. „Das ist ja wie beim Katzenrammel“, entfährt es einem Kollegen. Endlich ist die Zeremonie vorüber. Noch einmal wird „God save the Queen“ gespielt. Ohne einen Abschiedsgruß läßt die Queen ihre Subjekte einfach da stehen und tapert hinter ihrer Leibgarde in ihre privaten Gemächer zurück. Das Volk ist außer sich über so viel Ehre. „Papa, was hat sie denn zu Dir gesagt“, will die Kleine von ihrem geadelten Daddy wissen. „Shes marvellous, our Queen, isnt she“, versucht der Oberzeremonienmeister auf der Treppe einen der Ordensträger in eine Konversation zu verwickeln. „Yes, indeed. 130 in einer Stunde, ich weiß nicht, wie sie das macht. Twas jolly good fun“, was so viel heißt wie: „Ich war 20 Jahre in der Armee und weiß auch nichts zu sagen.“ Die Menge zerstreut sich zufrieden; die Monarchie, „das zentrale Totem des so beständigen britischen Stammessystems“, hat ihre Schuldigkeit getan.