Entsorger Wallmann

■ Kohls Umweltminister macht ernst

Die Chemie–Industrie schlottert vor Angst, die Vorstandsetagen zittern. Umweltminister Wallmannn, der Rächer von Aal und Rotauge, hat als Konsequenz aus dem Sandoz–Unfall und der seitdem anhaltenden Störfall–Serie einschneidende Maßnahmen angekündigt. Gestern ließ er die Katze aus dem Sack. Während von Waldshut bis Rotterdam die Giftbrühe aus allen Fugen der Chemieindustrie in den Rhein läuft, holt der Umweltminister zum furchtbaren Gegenschlag aus: Die Störfallverordnung wird verschärft! Ein paar zusätzliche Stoffe werden aufgenommen, ein paar zusätzliche Experten werden alles überwachen. Wallmannsche Wurzelbehandlung! Und dies wird dann zusammen mit der hektischen Betriebsamkeit von Kommissionen, Arbeitsgruppen, Sondersitzungen und täglichen Pressekonferenzen, Firmengesprächen und Inspektionen, mit Sorgenfalten und Pathos zwei Monate vor der Wiederwahl unseres Oggersheimer Genies als wirksame Umweltpolitik verkauft. EG–weit gibt es 100.000 gemeldete Umweltchemikalien, davon gelten mindestens 10.000 als gefährlich. In Wallmanns Störfallverordnung sind bisher 350 erfaßt und nach seiner „radikalen“ Neufassung vielleicht 450. Lagerschuppen, wie der von Sandoz, der am 1. November brannte und den Rhein– GAU auslöste, fallen überhaupt nicht unter diese Verordnung. Wallmann gibt sich nicht einmal mehr die Mühe, glaubwürdig zu sein. Die Novellierung des Chemikaliengesetzes, die Verschärfung des Abwasserabgabengesetzes, eine Giftsteuer nach Schadstoffklassen, ein verbindlicherer Entsorgungsnachweis - all dies wären gesetzgeberische Instrumente einer - jederzeit auch marktwirtschaftlichen - Chemiepolitik. Aber Wallmann kneift. Er bleibt, was er von Anbeginn war: der Empörungsentsorger, das Ablaßventil des deutschen Michel, dem das Gift aus den Ohren quillt. Manfred Kriener