Buchrezession
: Die "Blume im Revier" verwelkt

■ "Umbruch der Stadt - z.B. Bochum": Ein politisches Lesebuch, nicht nur für Bochumer Buchrezension

Mit dem Ruhrgebiet verbinden sich Vorstellungen von rauchenden Zechenschloten, rußverschmutzten Häuserzeilen und graugesichtigen Menschen, die einem harten Tagewerk nachgehen. Dreck und Gestank, Kohle und Bier, Arbeits–, Geschichts– und Kulturlosigkeit gelten als bestimmende Merkmale der Region. Einst Rüstungsschmiede des Reiches, dann Säule des Wirtschaftswunders, heute sterbende Stahl– und Kohleregion, morgen Energiezentrum der BRD: mit jedem Schlagwort verknüpfen sich Klischees, die der wirtschaftlichen und sozialen Realität des Ruhrgebietes, dem politischen und kulturellen Leben in den Revierkommunen nicht gerecht werden. Vor allem aber versperrt die grobe und häufig unzutreffende Typisierung des „Kohlenpotts“ den Blick auf die Ursachen und Konsequenzen eines gesellschaftlichen Umbruchs, der nicht nur in den Städten an der Ruhr, dort jedoch besonders deutlich zu beobachten ist. Wie dieser Prozeß im Revier derzeit tatsächlich aussieht, kann in dem reichbebilderten Band „Umbruch der Stadt - z.B. Bochum“ für diesen traditionsreichen Ruhrgebietsort nachvollzogen werden. Ausgehend von einem weltweiten Umbruch in den Kapital– und Arbeitsmarktstrukturen kommen die Autoren zu drei Merkmalen der heutigen Großstadtentwicklung: - einem Schrumpfungsprozeß, der sich vor allem im Bevölkerungsverlust und der sinkenden Zahl von Arbeitsplätzen zeigt, - einer sozialen und sozialräumlichen Aufspaltung, d.h. be stimmte Schichten konzentrieren sich in spezifischen Stadtteilen, - einer Tendenz zur „Selbstverwaltung des Elends“ in dem Sinne, daß den sogenannten „Randgruppen“, also Arbeitslosen, Ausländern usw., die Organisation des Überlebens selbst überlassen wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen - etwa Stuttgart oder München - gelten, so behaupten die Autoren, die genannten Entwicklungsmerkmale für jede Großstadt in der BRD. Sie werden als Ausdruck der „Gleichzeitigkeit von Zerfall und Neuzusammensetzung, von sozialen und ökonomischen Krisenmerkmalen und den neuen Konstruktionselementen politischer Stabilität auf den wichtigsten Ebenen und Teilbereichen der Stadt“ gewertet. Wie sich diese unterschiedlichen Faktoren im kommunalen Bereich konkret manifestieren, stellt „Umbruch der Stadt“ zumindest für Bochum in überzeugender Weise dar. So wird u.a. durch die Beschreibung betrieblicher Veränderungen bei den Opel–Werken deutlich, was die weltweite Umstrukturierung von Kapital und Arbeit meint. Die vom Bochumer Sozialamt verfolgte „Altenpolitik“ zeigt neben anderen prakti schen Beispielen aus der Kommunalpolitik die „Selbstverwaltung des Elends“ als Konsequenz der Bonner Wendepolitik. Und die Herausbildung einer jungen, im Arbeitsprozeß privilegierten Mittelschicht, die räumliche Konzentrierung ihrer Freizeit– bzw. Konsumstätten wird anhand der „weißen“ Kneipen, Cafes und Boutiquen, sei es in Bochums Bermuda– Dreieck oder im sogenannten „Quartier“, deutlich. Gleichzeitig wird mit vielen Fotos die Veränderung der Stadt optisch nachvollziehbar gemacht. Nicht–Bochumer werden Parallelen zur Entwicklung in ihrer eigenen Umgebung finden. Denn „Umbruch der Stadt“ hält durchaus Typisches fest. Das „Beispiel Bochum“ kam zustande, weil hier verschiedene Institutionen als Forderer auftraten: das Buch entstand auf Anregung des örtlichen DGB im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes von Ruhr–Universität und IG–Metall und mit Unterstützung des Bochumer Arbeitsamtes. Allerdings betonen die Autoren ausdrücklich, daß sie keinen „stromlinienförmigen Text“ produziert und weder auf gewerkschaftliche noch kommunale Interessen Rücksicht genommen hätten. G. Hommel Umbruch der Stadt - z.B. Bochum, Michael Krummacher, Friedhelm Schrooten, Hans Wupper, Germinal–Verlag, Bochum, 214 Seiten, 16 DM