Koalitionsverhandlungen in Wien

■ Der ÖVP–Vorsitzende Mock wird wohl doch Vize unter Vranitzky / Waldheim hat sich für Große Koalition ausgesprochen / Mocks parteiinterne Position wieder abgesichert

Wien (ap/taz) - Knapp zwei Wochen nach den Parlamentswahlen scheint sich der Nebel über den Koalitionsverhandlungen in Österreich langsam zu lichten. Die sozialistische Partei SPÖ hatte mit 80 Mandaten drei Sitze Vorsprung vor der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) erhalten und dieser die Bil dung einer Großen Koalition vorgeschlagen. Die Mehrheit der SPÖ unter dem amtierenden und wohl zukünftigen Bundeskanzler Vranitzky schließt eine Kleine Koalition mit der Freiheitlichen Partei unter dem rechtsnationalen Jörg Haider aus. Dagegen gibt es in der ÖVP starke Strömungen, die lieber eine Koalition mit der FPÖ eingehen, denn als Juniorpartner der SPÖ fungieren würden. Am Donnerstag trafen jedoch Verhandler der beiden Großparteien zusammen. Die Koalitionsgespräche werden voraussichtlich bis Ende Januar dauern. Daß sich die ÖVP nun doch auf Gespräche mit der SPÖ einläßt, obwohl ihr Vorsitzender Mock vor der Wahl recht deutlich zu verstehen gegeben hatte, daß er nicht gewillt sei, unter einem Kanzler Vranitzky die zweite Geige zu spielen, mag an einem überraschenden Eingreifen des Bundespräsidenten Waldheim gelegen haben. Die Welle des Antisemitismus, die in Österreich im Zusammenhang mit Waldheims Vergangenheit im 2. Weltkrieg hochgeschwappt war, und die unter dem Motto: „Jetzt erst recht“ letztlich zur Wahl Waldheims geführt hatte, war aber bei den jetzigen Parlamentswahlen gegen die ÖVP ausgeschlagen. Profitiert von den neuerweckten braunen Tönen hatte vor allem die FPÖ. Wohl aus der Angst, bei einer Koalition ÖVP/FPÖ könnte das politische Spiel mit dem Antisemitismus aus dem Ruder laufen und Österreich noch mehr in außenpolitische Isolation geraten, hatte sich Waldheim indirekt für eine Große Koalition ausgesprochen. An ÖVP–Chef Mock, dem wieder einmal die Mandatsmehrheit versagt blieb und der nun zugesagt hat, das Vizekanzleramt übernehmen zu wollen, ist der bitterste Kelch wohl vorerst vorbeigegangen: Trotz harter Kritik an seiner Person und starken Gerüchten über seinen bevorstehenden Rücktritt vom Parteivorsitz sprach der Parteivorstand Mock am Donnerstag das Vertrauen aus. -ant– FORTSETZUNG VON SEITE 1