Tüchtige Japaner in die Regierung!

■ Jugoslawiens Wirtschaft kommt trotz Schuldenreduzierung nicht auf die Beine / Selbstverwaltete Arbeiter kämpfen mit Streiks gegen die Wirtschaftsmisere / Gewerkschafter sitzen zwischen zwei Stühlen / „Stabilisierungspolitik oder Forderungen der Werktätigen

Belgrad (afp/taz) - „Alle 22 Millionen Einwohner Jugoslawiens würden wohl ihre 28 Minister gern durch Japaner ersetzen, wenn sie unsere Wirtschaft wieder in Schwung brächten“, erklärte kürzlich der Belgrader Professor Stanislaw Petrowic. Sein Kollege Mihailo Popovic setzte dieser unwissenschaftlichen Äußerung mit einer Umfrage der Philosophischen Fakultät der Belgrader Uni noch eins drauf. Danach sprachen sich nur 3,9 Prozent der Bevölkerung für das „Sowjetische Modell“ der Wirtschaft aus, während immerhin 53 Prozent dem jugoslawischen Selbstverwaltungsmodell noch den Vorzug gaben. Aber 43,1 Prozent sprachen sich für eine westliche Marktwirtschaft aus. Unter den Befürwortern der östlichen Planungswirtschaft gehörten nur zwei von insgesamt 545 Befragten der Klasse an, für die der Kommunismus ja da sein soll: der Arbeiterklasse. Und die beginnt sich in den letzten Wochen und Monaten wieder auf ihre Stärke und Tugenden zu besinnen. Im ersten Halbjahr 1986 wurden 386 Streiks gezählt, seither soll die Zahl der Arbeitskämpfe noch gestiegen sein. Dabei handelt es sich nicht um Auseinandersetzungen in kleinen Klitschen: Im Juli traten in Rijeka 2.000 Werftarbeiter in den Ausstand und gingen den 7.000 Kollegen in Split mit gutem Beispiel voran, die kurz darauf die Arbeit niederlegten. Handelte es sich bei den Ausständen noch im Frühjahr um Kurzstreiks, so geht die Tendenz inzwischen zu längerdauernden Auseinandersetzungen, weil die zuständigen Stellen nicht mehr so leicht wie früher die Forderungen der Arbeiter erfüllen. Jeder dritte Streik findet in Slowenien statt, der reichsten Region des Landes. Hier erkämpften sich die Arbeiter Reallohnsteigerungen bis zu 18 Prozent. Und so ist es nur verständlich, daß die Gewerkschaften nun zwischen Baum und Borke geraten sind: Einerseits versuchen sie die „Stabilisierungspolitik“ der Regierung zu unterstützen, andererseits wollen sie die Forderungen der Arbeiter vertreten. Noch versuchen die Regierung und die Gewerkschaften, durch Verhandlungen und Entgegenkommen der Bewegung die Spitze zu nehmen. Die Regierung und die Betriebsleitungen reagieren aber zunehmend nervös auf die „soziale Opposition“. So drangen nach den ersten Gerüchten über einen bevorstehenden Streik in einem Kombinat in Kroatien Bewaffnete in den Betrieb ein. Drei „Rädelsführer“ wurden entlassen. Dabei kann die Regierung in diesem Jahr sogar von wirtschaftlichen Erfolgen sprechen. Die Inflation wurde bei der hohen Rate von knapp 100 Prozent angehalten, die Außenhandelsschulden konnten um eine Milliarde Dollar gedrückt und die Zinsen an die Gläubigerländer bezahlt werden. Allerdings geht der Außenhandel insgesamt zurück. Mit einem Wachstum des Sozialprodukts um 3,7 Prozent steht man im Vergleich zu den Vorjahren auch nicht schlecht da. Zudem gelang es, 340.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Trotzdem: Die Arbeiter scheinen gegenüber der Regierung an Selbstbewußtsein zu gewinnen. er