Abrüstung a la NATO

■ SDI–Zugabe für die Europäer

Die in Reykjavik angestrebte „Null–Lösung“ verursacht den europäischen Militärstrategen nach wie vor Angst und Kopfzerbrechen, auch wenn ihre Realisierung in weite Ferne gerückt ist. Auf der NATO–Herbsttagung in Brüssel machten die Verteidigungsminister deutlich, was sie sich unter einer Reduzierung der Mittelstreckenraketen vorstellen: eine Umverteilung der Waffensysteme, bei der - welch wundersame Fügung - am Ende sogar mehr als die bei der Nachrüstung beschlossenen 572 Systeme herauskämen. Uumrüsten statt Abrüsten heißt die Zauberformel. Insbesondere die Ausstattung von Bombern mit Marschflugkörpern bietet sich für Manipulationen an. Als Mittelstreckenraketen könnten sie ruhig demontiert werden, ohne daß die sogenannte „Raketenlücke“ den Strategen schlaflose Nächte bereitete. Der von ihnen befürchteten Übermacht der sowjetischen Kurzstreckenraketen steht immer noch die Überlegung entgegen, an den Pershing II eine Stufe abzumontieren und sie so zu äußerst präzisen Kurzstreckenraketen umzurüsten. Um die Angst der Europäer vor der „Raketenlücke“ gänzlich zu zerstreuen, bieten die USA eine Beteiligung an ihrer „Wunderwaffe“ SDI in Form einer europäischen Variante. Wenn die USA schon erwägen, Mittelstreckenraketen in Europa zur Disposition zu stellen, sollen die Europäer nicht auf den Gedanken kommen, aus Angst eine eigene, europäische Verteidigung aufzubauen. Statt dessen sieht das Europa–SDI vor, die alte Welt durch die Auslösung eines konventionellen Gegenschlages separat zu retten. Das ist dann aber auch das äußerste an Separat–Entwicklung! Die Reihen des Bündnisses bleiben geschlossen, vor allem aus US–amerikanischer Sicht. Wolfgang Zügel