Jeder gegen jeden - Lübeck gegen alle

■ Lübeck legt sich wegen der DDR–Giftmülldeponie Schönberg mit fast allen Bundesländern an / Klage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht gegen Hamburgs Gift–Transporte / Die Stadt vor Müll–Notstand / GAL gegen Fischer, Schröder gegen Dohnanyi

Von Axel Kintzinger

Berlin (taz) - Ring frei zur dritten Runde! Nachdem es die Freie und Hansestadt Lübeck auf gerichtlichem Wege in den vergangenen Wochen geschafft hat, den Ländern Schleswig–Holstein und Hessen die Einlagerung von Sondermüll auf der DDR–Giftmülldeponie Schönberg zu verbieten, reicht ein Lübecker Rechtsvertreter heute vormittag vor dem Hambur ger Verwaltungsgericht Klage gegen die Deponierung Hamburger Haus– und Sondermülls ein. Was den Hessen und Holsteinern einige Probleme bereitet, würde Hamburg - falls die Klage durchkommt - in ein richtiges Müll– Desaster bringen. Der Grund: Hamburg liefert alleine etwa die Hälfte der rund eine Million Tonnen Giftmüll, die jährlich nach Schönberg verfrachtet werden und von da aus das Lübecker Trinkwasser gefährden. Und weiter: Sollte die DDR–Kippe für Hamburg verschlossen werden, bleibt dem dortigen SPD–Senat keine Alternative. Nirgendwo wäre auch nur ein einziger Kubikmeter Platz für Klärschlämme, Industrie– und Hausmüll, ölverseuchte Böden mit chlororganischen Verbindungen, Cyaniden, Arsen und anderen hochgiftigen Substanzen wie PCB und dioxindurchsetzte Flugasche. Und der Berg wächst. Für das nächste Jahr hatten sich die Hamburger Stadtväter ausgerechnet, ganze 700.000 t Sondermüll auf die für westliche Verhältnisse so preiswerte Ost–Deponie zu verfrachten. Nun sitzt Hamburg in der Klemme. In Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Umweltminister Werner Remmers (CDU) möchte der Sozialdemokrat Dohnanyi jetzt eine schwarz–rote Giftmüllkoalition aufbauen, in deren Rahmen die Hamburger Müll– Massen auf der umstrittenen Deponie Hoheneggelsen bei Hildesheim „entsorgt“ werden sollen. Ohne sich vorher an seine niedersächsischen Parteifreunde zu wenden, schickte Dohnanyi seinem Amtskollegen Ernst Albrecht einen entsprechenden Brief. Das mußte Ärger geben. Schließlich rennen die niedersächsischen Sozialdemokraten seit geraumer Zeit gegen die Deponie Hoheneggelsen an, die derzeit noch von der Skandal–Klitsche Dr. Dr. Anton Maier AG betrieben wird und in naher Zukunft in Landesbesitz übergehen soll. Zwar auf höchster Ebene (mit Ministerpräsident Albrecht), aber bislang erfolglos verhandelte die Landesregierung Mitte letzter Woche mit der Maier AG über den Preis. In Hannover kursieren Gerüchte, wonach die Maier AG 120 Millionen haben will, Albrecht und Remmers aber nur 80 Millionen DM herauszurücken bereit sind. Die Hamburger Pläne treiben den Preis weiter in die Höhe. Das ist jedoch nur ein Grund für die deftige Schelte, die SPD–Fraktions–Chef Gerhard Schröder an die Hamburger Genossen richtete. Die Deponie Hoheneggelsen gilt in Experten–Kreisen als nicht besonders sicher für hochgiftige Abfälle. Statt auf Hoheneggelsen zurückzugreifen, favorisiert Schröder inzwischen Konzepte, wie sie bisher nur die niedersächsischen Grünen vertreten haben. In deren Augen noch unverantwortlicher als die im Müll–Notstand befindlichen Hamburger treibt es der hessische Umweltminister und Parteifreund Joschka Fischer. Nachdem er seinen Giftmüll nicht mehr in die DDR abschieben durfte, wandte er sich an seinen hannoverschen Amtskollegen Remmers mit der Bitte, Hoheneggelsen in Anspruch nehmen zu dürfen. Doch Remmers gab ihm einen Korb. Seitdem verhandelt Fischer im Alleingang mit der Maier AG, die ihm großzügig Platz für 70.000 t Sondermüll jährlich anbot. Die niedersächsischen Grünen, die seit Jahren verschiedene Klagen gegen den Betrieb von Hoheneggelsen laufen haben, erfuhren davon erst aus der Presse. Und Fischer versteigt sich immer mehr: Während Hamburg mit den Lieferungen nach Hoheneggelsen zumindest solange warten will, bis die Deponie unter Landesverwaltung betrieben wird und dann einen wenigstens etwas höheren Sicherheitsstandard aufweist, gibt sich der grüne Minister weniger zimperlich. Ein Grund dafür, daß die Auseinandersetzung innerhalb der Grünen an Schärfe zunimmt. So fordern die niedersächsischen Grünen, Hoheneggelsen sofort zu schließen „und an geeigneteren Stellen durch sogenannte Behälterdeponien zu ersetzen“ - auf Kosten der Giftmüll produzierenden Industrie. Auf diesen Schlag ins Gesicht von Fischer folgte ein weiterer von der Hamburger GAL: Die Ankündigung des grünen Ministers, gegen das Schönberg–Verbot sämtliche Rechtsmittel auszuschöpfen, stieß auf denkbar harsche Kritik. „Ein grüner Umweltminister, der nicht einmal bestehende Umweltgesetze achtet und sich zum Hampelmann der Hoechst AG machen läßt, ist untragbar“, schrieb die GAL letzte Woche in einer Erklärung.