Schornsteinfeger war ein Informant

■ Der Bekennerbrief–Entwurf für den geplanten Anschlag auf Bielefelder Siemens–Niederlassung lag im Kamin Briefkontakt des Verhafteten mit RAF–Gefangenen wertet das BKA als „Sympathisantenschaft“

Von Imma Harms

Berlin (taz) - Der am Freitag überraschend aufgedeckte Plan eines Anschlags auf die Bielefelder Siemens–Niederlassung (siehe taz von gestern) ist offenbar nicht durch den Hinweis eines in die Bielefelder Szene eingeschleusten V–Manns aufgeflogen, sondern durch den zufälligen Fund eines Schornsteinfegers. Über Nachbarn des verhafteten, inzwischen nach Frankreich verlegten Jens K. aus Bielefeld wurde der taz bekannt, daß ein Schornsteinfeger beim Öffnen der Revisionsklappe eines Kamins im Haus in der Nordstraße den handschriftlichen Entwurf des Bekennerschreibens fand und ihn an die Polizei weiterleitete. Er lautete: „Wir haben am 9.12.1986 auf das Bürogebäude der Siemens AG in Bielefeld einen Sprengstoffanschlag verübt...“. Nach dem Fund des Schornsteinfegers benachrichtigte die Bielefelder Polizei das Bundeskriminalamt, und in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag stürmten Beamte des BKA und des Bielefelder Sondereinsatzkommandos das Haus in der Feldstraße, durchsuchten zwei Wohnungen und nahmen die beiden Personen, die sich darin aufhielten, fest. Durch einen Handschriftenvergleich wurde Jens K. als mutmaßlicher Verfasser des Schreibens identifiziert. Der zweite Verdächtige wurde noch einige weitere Stunden festgehalten und als Zeuge vernommen. Bei einer zweiten Vernehmung machte Jens K. offenbar Angaben darüber, wo sich die Einzelteile des Sprengsatzes befanden, die die Polizei in der Umgebung seiner Wohnung fand. Es handelte sich dabei um vier 30–Kilo–Gasflaschen und einen Feuerlöscher. K.s Freundin, die früher mit ihm in der Nordstraße gewohnt hatte und inzwischen in Heidelberg lebt, traf am folgenden Tag in Bielefeld ein und meldete sich freiwillig bei der Polizei. Gegen sie wird in Zusammenhang mit dem geplanten Anschlag jetzt auch ermittelt. Nach Äußerungen aus der Bielefelder Szene wurde das Gerücht von dem Verrat durch einen Spitzel möglicherweise von der Polizei lanciert, um Mißtrauen zu säen. Konkrete Hinweise, daß noch weitere Personen an der Planung beteiligt waren, können der Polizei nach der Einschätzung Bielefelder Informanten kaum vorliegen. „Natürlich müssen sie jetzt Mittäter suchen, damit sie die Anklage wegen einer kriminellen Vereinigung stützen können.“ Jens K. stand in Briefkontakt mit RAF–Gefangenen. Das veranlaßte das BKA jetzt offenbar zu der Mitteilung, der Verhaftete sei schon lange als „Sympathisant der RAF“ bekannt.