Alle zufrieden

■ Zur ersten Bürgerschaftssitzung in Hamburg

Zwei Stunden lang trugen CDU und SPD in der Hamburger Bürgerschaft am Mittwoch staatstragende Lyrik vor. Was in vielen westeuropäischen Ländern gang und gäbe ist - das Regieren mit wechselnden Mehrheiten - , wurde von den aufgebrachten Sozis und Christdemokraten abwechselnd als staatszersetzend und demokratiegefährdend beschworen. Als es nach der düsteren Feierstunde in den parlamentarischen Alltag ging, zeigte sich sehr schnell, daß Regieren mit wechselnden Mehrheiten in sekundären Fragen sehr wohl möglich ist. Der Staat erbebte nicht und innerhalb kürzester Zeit war die Parlamentsroutine und -Langeweile der vergangenen vier Jahre wieder erreicht. Unterm Strich können sogar alle zufrieden sein. Die CDU kann weiter die abgewiesene Liebhaberin spielen und der SPD vorwerfen, mit den Grünen zu turteln. Die SPD konnte sich via Abstimmungen mit CDU und GAL als „verantwortliche Kraft der Mitte“ profilieren. Die GAL setzte einige Wahlversprechen mit der CDU durch und bediente gleichzeitig mit der SPD ihre Klientel im Sozialbereich. Die Perspektive in Richtung SPD wurde recht eindeutig mitformuliert: „Durch wechselnde Mehrheiten zu neuen Mehrheiten.“ Nun richtet man sich „wechselnd“ ein und wartet auf Neuwahlen, die im übrigen ritualisiert von allen abgelehnt wurden. Tom Janssen