Prozeß wegen illegaler Abtreibung gegen Nürnberger Arzt geplant

Nürnberg (taz) - „Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt.“ Schwurgerichtsvorsitzender Hans Manger setzte den Schlußpunkt in der mit Spannung erwarteten ersten Runde im Verfahren gegen den italienischen Arzt Dr. Ferdinando Peselli. Auf 78 Seiten hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg über Jahre hinweg 96 Fälle zusammengetragen, die einem Kurpfuscherroman entnommen sein könnten. Peselli, der nach eigenen Angaben in den letzten acht Jahren in einer Nürnberger Privatklinik zwischen 10.000 und 15.000 Abtreibungen durchgeführt hat, soll Schwangerschaften ohne oder ohne ausreichende Indikation abgebrochen und Frauen unter Druck gesetzt haben, einer Sterilisation oder Einsetzen der Spirale zuzustimmen. Lag diese nicht vor, führte er dennoch den Eingriff durch. Da die Spirale oft schwerwiegende Komplikationen nach sich zog, taucht sie in der Anklageschrift als „gefährliches Werkzeug“ auf. Mehrfach leiden noch heute Frauen unter der unsachgemäßen Durchführung der Abtreibungen. So hat Peselli noch im fortgeschrittenen Schwangerschaftstadium die Absaugmethode verwandt. In der Gebärmutter zurückgebliebene Reste sorgten für zum Teil lebensgefährliche Infektionen, für eine Frau kam dabei jede Hilfe zu spät. Daß es nun, obwohl die Fälle zum Teil bis 1978 zurückreichen und Pesellis Methoden stadtbekannt waren, zu einem derartigen Mammutverfahren gekommen ist, macht aus dem Strafverfahren ein Politikum, das gut in die Abtreibungskampagne der CSU vor den Bundestagswahlen und zur Diskussion um die Stellenausschreibung am Städtischen Klinikum paßt. Zu seiner Verteidigung beruft sich Peselli, der seit sieben Monaten in U–Haft sitzt, auf ein 1982 von der Staatsanwaltschaft mangels Beweisen eingestelltes Ermittlungsverfahren und auf ausführliche Kontrollen seitens des Gesundheitsamtes und der kassenärztlichen Vereinigung. Jetzt wollte Peselli auf Anraten seiner Verteidiger entgegen voriger Absprachen mit dem Gericht nichts mehr sagen. Da sich Richter Manger außer Stande sah, nach Aktenlage zu urteilen, werden nun die weit über 100 Zeugen, meist betroffene Frauen und einige Sachverständige, bei einem neuen Termin voraussichtlich im März aufmarschieren müssen. Bernd Siegler