Hanau–Gutachter ein Atom–Lobbyist

■ Der von Hessens Wirtschaftsminister Steger bestellte Gegengutachter war für den illegalen Betrieb der Hanauer Atomfirmen mitverantwortlich / Fischer–Ministerium weist Haedrichs „Erkenntnisse“ zurück

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) - Das Entree zum Menue, das Joschka Fischer am Donnerstag den Mitgliedern der Landespressekonferenz auftischen ließ, war delikat. Pressesprecher Dick „servierte“ eine Stellungnahme zum sogenannten Haedrich–Gutachten, das - von Hessens Wirtschaftsminister Ulrich Steger in Auftrag gegeben - das von Joschka Fischer bestellte Geulen–Gutachten zur Situation der Hanauer Nuklearbetriebe auskontern sollte. Haedrich, so das Haus Fischer, seiein inzwischen pensionierter Ministerialdirigent, der seit Ende der 60er Jahre im Bundeskanzleramt tätig war und der in dem Zeitraum, in dem der illegale Betrieb der Hanauer Anlagen fortgesetzt und noch ausgeweitet wurde, für eben diese Anlagen - und für die Plutoniumtransporte - zuständig gewesen sei. Daß Haedrich darüberhinaus nicht nur Autor des gerade erschienenen Kommentars zum Atomgesetz ist, sondern auch durch Veröffentlichungen in der von der Atomwirtschaft herausgegebenen Zeitschrift „Atomwirtschaft–Atomtechnik“ bekannt wurde, legte das Fischer–Ministerium gleichfalls offen. Vor diesem Hintergrund, so Dick, verliere das sogenannte „Gegengutachten“ des Dr.Haedrich, das ungewollt die wesentlichen Erkenntnisse des Fischer– Gutachters Dr. Geulen bestätige, erheblich an Wert. Auch durch die Stellungnahme von Haedrich könne das Fehlen der notwendigen Anlagegenehmigungen nicht ersetzt werden. Das Argument von Haedrich, daß ein illegaler Anlagenbetrieb jahrzehntelang deshalb fortgesetzt werden könne, weil er von der Aufsichtsbehörde anfangs geduldet wurde, würde praktisch jegliche Legalität und Rechtsstaatlichkeit beim Betrieb atomarer Anlagen beseitigen: „Ein solcher Rechtsstandpunkt wurde bisher noch nicht einmal für vergleichsweise kleine Emittenten vertreten und ist für Anlagen, die hochangereichertes Uran und Plutonium produzieren, abwegig“. Deshalb habe Haedrich seine „neue Rechtstheorie“ auch nicht mit entsprechender Rechtssprechung belegen können. Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Vertrages zwischen dem Wirtschaftsministerium und der NUKEM, der das Ziel einer „Beendigung des gesetzlich geforderten atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens“ beinhaltet, zeige sich, daß Haedrich nicht einmal die verwaltungsrechtlichen Grundbegriffe eines öffentlich– rechtlichen Vertrage bei seiner „Prüfung“ berücksichtigt habe. Durch einen öffentlich–rechtlichen Vertrag, so das Fischer– Ministerium, könne nämlich nicht ein zum Schutz der Allgemeinheit gesetzlich zwingend vorgeschriebenes Genehmigungsverfahren aufgehoben oder aufgeschoben werden. Wie Dick abschließend erklärte, sei es jetzt „vollkommen klar geworden“, daß es in Sachen Hanau längst nicht mehr um „divergierende Rechtsauffassungen“(Börner) gehe. Der sozialdemokratische Regierungspartner habe schlicht zur Kenntnis zu nehmen, daß die Hanauer Nuklearbetriebe „ohne Genehmigungen“ Brennelemente produzierten. Vom hessischen Wirtschaftsministerium war gestern keine Stellungnahme zur Stellungnahme des Hauses Fischer zum Haedrich–Gegengutachten zu bekommen, da - so Pressesprecher Raack - das entsprechende Papier dem Herrn Minister Steger noch nicht vorliege.