Das Parlament forscht weiter

■ Im Rathaus Schöneberg tagt der parlamentarische Untersuchungsausschuß wie gehabt / Oppositionsparteien hoffen, daß Antes jetzt bei ihnen auspackt

„Wenn Antes jetzt rechtskräftig verurteilt ist,“ spekuliert Raimund Helms, der für die Alternative Liste im parlamentarischen Antes–Untersuchungsausschuß sitzt, „kann uns das eigentlich nur zugute kommen. Wenn er will, kann er doch jetzt über den politischen Nährboden in der CDU, auf dem die Korruption gedeihen konnte, locker plaudern. Denn was hat er von seinen ehemaligen Parteifreunden noch zu erwarten?“ Helms ist Optimist, aber die Abgeordneten– Runde, die seit April 1986 im Rathaus Schöneberg meist Sachbearbeiter aus den Senatsverwaltungen und Parteimitglieder der CDU, aber auch hochkarätige Zeugen wie den Regierenden Bürgermeister Diepgen zum ganzen Ausmaß des Parteispenden– und Korruptionssumpfes vernimmt, hat in der Tat nach dem Urteil gegen Wolfgang Antes wieder an politischer Brisanz gewonnen. „Wir sind doch im Moment die Einzigen“, so Helms weiter, „ die über die reine juristische Aufarbeitung hinaus die entscheidenden Fragen stellen und langfristig etwas bewirken können. Nur ein kurzes Beispiel: Als nächster Komplex ist bei uns der geplante Verkauf der landeseigenen Wohnungen in Charlottenburg dran, und da werden wir natürlich versuchen, die Rolle von Heinrich Lummer oder die Frage, warum dieser Zusammenhang im Prozeß gegen den potentiellen Käufer Otto Putsch totgeschwiegen wurde, zu beleuchten.“ Auch Wolfgang Nagel, der baupolitische Sprecher der Berliner SPD und Vertreter im Untersuchungsausschuß, schätzt die mühselige Kleinarbeit in den öffentlichen Sitzungen, die in der Regel nur noch von einer Handvoll professioneller Chronisten verfolgt werden, noch positiv ein. „Das Gremium hat jetzt mehr denn je die Aufgabe, die politischen Hintergründe auszuleuchten. Warum hat die CDU–Spitze Antes in Charlottenburg so lange gestützt, wie ist Otto Putsch durch Heinrich Lummer und andere CDU–Politiker hier überhaupt hoffähig gemacht worden? Das sind doch unabhängig von der strafrechtlichen Seite im Gericht die Fakten, die bei einer politischen Aufklärung auf den Tisch müssen. Denn so, wie es im Moment aussieht, wer kann behaupten, daß sich der Fall Antes unter anderem Namen nicht wiederholt?“ Sowohl Nagel als auch Helms sehen die langfristige Aufgabe des Ausschusses, der ungefähr 2.000 Aktenordner und 2,7 Millionen kopierter Bauakten über 35 Bauprojekte verdauen soll, in einem Anstoß zu einer revidierten Baupolitik. „Wir werden doch bei den Aussagen von Beamten aus dem Bausenat oder der Verwaltung dauernd in unserer grundsätzlichen Kritik an der herrschenden Baupolitik bestätigt; daß da Bebauungspläne je nach den Bedürfnissen von Bauherren und Spekulanten ausfallen,“ wettert Helms. Reservierter schätzt dagegen Jürgen Tietze, einer der CDU–Männer in der Aufklärungsrunde, die Situation ein. „Unser Auftrag steht natürlich und ist auch nach wie vor wichtig und richtig, aber die Stimulanz ist nach dem Urteil in Moabit etwas raus. Aber sicher sind wir keine Ermittler mit den Möglichkeiten der Kripo und es ist durchaus möglich, daß der Ausschuß jetzt ein Schattendasein fristet. Da muß man sich schon fragen, ob man diesen Kosten– und Arbeitsaufwand langfristig tragen will. Im Moment allerdings ist ein Ende unserer Forschungen nicht abzusehen.“ jv