„Vergebt ihnen nicht...“

Mannheim/Ludwigshafen (taz) - „Von Basel bis Bhopal herrscht das Chemiekapital, Vergiftete aller Länder vereinigt euch“, „Vergebt ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“, knapp 1.000 Demonstranten hatten sich gestern zum „Internationalen Rhein–Alarm“ auf der Konrad–Adenauer–Brücke versammelt, die Mannheim mit der BASF–Metropole Ludwigshafen verbindet. Mit von der Partie war auch der „letzte Rheinfisch“, grell–rosa angemalt, mit einer Kanüle im Maul, von Demonstranten auf einer Bahre getragen. Während der grüne Mannheimer Stadtrat Jürgen Rochlitz unter Beifall das Urteil des Rhein–Tribunals verlas, blockierten die Chemie– Gegner die gesamte Brücke. Die Polizei griff auch dann nicht ein, als die Blockade nach offizieller Auflösung der Demonstration andauerte, sondern leitete den Autoverkehr um. Nach fast einer Stunde wurde die Aktion beendet. Zuvor hatten in Mannheim und Ludwigshafen Kundgebungen und Demonstrationen stattgefunden, auf denen die alltägliche Vergiftung des Wassers durch die Chemie– und andere Industriekonzerne angeklagt wurden. Auf der Mannheimer Kundgebung wies Jürgen Rochlitz nochmals auf die „alltägliche Katastrophe“ hin, „die in unserem Rhein abläuft“. Ein Drittel des gesamten Rheinwassers fließt in Mannheim und Ludwigshafen durch Industrie und Kraftwerke, dann kommt es verschmutzt und erwärmt wieder in den Fluß. Wenn die BASF täglich 60–90 Tonnen Schadstoffe, 120 Tonnen Ammoniumstickstoff und 1,4 Tonnen Chlorverbindungen einleite, dann sei dies „Teil eines täglichen Kriegs gegen die Natur“. Dagegen müsse die „Kumpanei zwischen Industrie und Behörden“ zerstört werden und die Einstellung und Umstellung von Produkten und Produktionen durchgesetzt werden. In Ludwigshafen hatte der grüne Bundestagsabgeordnete Willi Tatge auf der Kundgebung am BASF–Hochhaus eine bislang von dem Chemieriesen als Betriebsgeheimnis gehandelte Zahl bekanntgegeben: Insgesamt 135 Tonnen der krebserregenden chlorierten Kohlewasserstoffe leitete der Betrieb jährlich in en Rhein. Rolf Gramm Die schöne Loreley in Trauerkleidung „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin. Ein Märchen aus uralten Zeiten bekommt den neuesten Sinn. Die Luft ist kühl, es dunkelt, unruhig fließt der Rhein. Das Gift im Flusse funkelt im Abendsonnenschein. Die Schiffer im Bett des Flusses ergreift es mit wildem Weh, sie klettern die Felsenriffe vergiftet hinauf in die Höh. Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende noch Fische und Farn, das hat mit ihrem Singen die Loreley niemals getan.“ Dieses Gedicht (frei nach Heinrich Heine) verteilten die beiden Dortmunder Umweltkünstler Bernd Moenicke und Rudolf Blauth gestern an der Loreley. In schwarzes Tuch gehüllt sitzt die Schöne - traurig blickend, wie immer - auf einem Felsvor– sprung. Vor ihr strecken elf wirre Gestalten flehend ihre Hände in die Höhe. Die Figuren, aus Birkenholz geschnitzt, symbolisieren die Seelen der Schiffer, die heraufstiegen, weil ihre Totenruhe durch das Gift gestört wurde. Die Verzauberung des Menschen durch die Schönheit des Rheins hat ein jähes Ende gefunden. Ein genauso jähes Ende fand die Künstler–Aktion am späten Nachmittag. Die Polizei bestand darauf, daß die Figuren und das schwarze Tuch wieder entfernt wurden. Eine andere Aktion war erst gar nicht erlaubt worden. Totenkränze sollten an Seilen befestigt auf dem Rhein schwimmen. Dafür erteilte die Bürokratie keine Erlaubnis, denn diese Aktion würde eine nichterlaubte Verschmutzung des Rheins darstellen. Tina Stadlmeyer