■ Mit der Arbeitszeit auf Du und Du
: Japanische Verhältnisse

Zeitgleich mit der neuen Kampagne der IG Metall für die Durchsetzung der 35–Stunden–Woche ist in Japan eine neue Diskussion um Wünschbarkeit und Zweckmäßigkeit der 40–Stunden–Woche in Gang gekommen. Diskutiert wird über Arbeitszeitverkürzung eigentlich nur, weil die wichtigen Handelspartner, allen voran die USA, gegen die Überschwemmung ihrer Märkte mit japanischen Produkten und gegen die krassen Ungleichgewichte im Handel mit Japan protestieren. Das empfohlene Rezept für die Regierung in Tokio lautet: die Grenzen für ausländische Produkte öffnen, weniger arbeiten, durch mehr Freizeit mehr im Inland konsumieren und damit für einen Abbau des Exportdrucks sorgen. Die japanische Regierung beauftragt erst einmal den zentralen Rat für Arbeitsbestimmungen, Vorschläge für Arbeitszeitverkürzungen auszuarbeiten. Was nach Anhörung zahlloser Experten jetzt veröffentlicht wurde, klingt europäischen Ohren wenig verheißungsvoll. Statt der geltenden Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche sollten „vorläufig“ 46 Stunden eingeführt werden, heißt es. „So bald wie möglich“ solle das auf 44 Stunden reduziert werden, und „schließlich“ müsse man zu 40 Stunden gesetzlicher Wochenarbeitszeit kommen. Während die Gewerkschaftsführer gegen die unpräzisen Formulierungen protestierten, war die konservative Regierungspartei alarmiert und machte klar, daß die 40–Stunden–Woche frühestens 1998 eingeführt werden könne: 1988 tritt ein neues Arbeitsrecht in Kraft, und zehn Jahre sei der angemessene Zeitraum, bevor weitere einschneidende Maßnahmen wie 40–stündige Arbeitszeit dran kommen könnten. Ohnehin wird in Japan lebhaft darüber diskutiert, ob ein Gesetz über eine 40–stündige oder fünftägige Arbeitswoche in der Praxis überhaupt durchzusetzen wäre - die „Arbeitsethik“ lasse das überhaupt nicht zu, meinen viele. Unternehmer wie Beschäftigte hätten allerdings auch nach dem Inkrafttreten solcher Bestimmungen die Möglichkeit, auf Überstunden auszuweichen, die täglich von praktisch jedem geleistet werden, der sich irgendwie Aussicht auf beruflichen Aufstieg macht - seine Chancen wären sonst gleich Null. Dabei zeigt sich, daß das Anreiz–System raffiniert genutzt wird und daß die Arbeitnehmer durchaus nicht immer diejenigen sind, die sich von ihrem Arbeitsplatz nicht trennen können. Wer in Anspruch nimmt, was ihm eigentlich zustünde, gilt als „nicht loyal“, als „gleichgültig“, also auch nicht förderungs– und beförderungswürdig. Der Rat für Arbeitsbestimmungen schlug auch vor, den gesetzlichen Mindesturlaub von sechs auf zehn Tage pro Jahr zu erhöhen. Aber das scheint erst recht akademisch: schon bisher nehmen die japanischen Arbeitnehmer im Durchschnitt nur 60 Prozent ihres Urlaubs, und je mehr Tage ihnen zustehen, desto geringer wird in der Regel die Inanspruchnahme. Das dürfte sich auch in Zukunft nicht ändern. Die Arbeitszeit im „Land des Lächelns“ dürften bundesrepublikanische Beschäftigte gar nicht lustig finden. GEO