P O R T R A I T „Der ideale Spitzenmann für eine Umweltpartei“

■ Roms „grüner Amtsrichter“ Amendola lehrt Unternehmern und Politikern das Fürchten / „Regierung hat Angst vor Anwendung eigener Gesetze“ Am heutigen Dienstag will er aufgrund neuer Luftmessungen entscheiden, ob Roms Innenstadt bis Weihnachten für den Autoverkehr gesperrt wird

Aus Rom Werner Raith

Wenn er acht Stufen mit drei Schritten nimmt und zum Podium hinaufeilt, sieht er „dynamisch aus wie Henry Kissinger“ (“La Repubblica“); wenn er, braungebrannt und meist im offenen, freilich teuren Hemd seine Augen blitzen läßt, ist er „schön wie Gregory Peck“ (Fan–Parole); doch wenn er spricht, teilen sich die Meinungen blitzartig: für Italiens Grüne ist er „Hoffnungsträger Nummer eins“ (“Il manifesto“), für andere Parteien jedoch, „ein wildgewordener Jurist, der ständig seine Kompetenzen überschreitet“ (so der christdemokratische Fraktionsführer im römischen Stadtparlament). Gianfranco Amendola, 44, verheiratet, zweifacher Vater, „Pretore“, also Amtsrichter in Rom und seit Anfang der siebziger Jahre einer der wenigen Staatsjuristen, die sich um Umweltschutz kümmern, hat freilich Industrielle ebenso wie kleine Öko–Verschmut zer das Fürchten gelehrt. Den ersten Prozeß wg. Umweltgefährdung führte er 1973, inzwischen hat er fast 7.000Verfahren geleitet; allein 1987 warten mehr als tausend Prozesse auf ihn. Irgendwie erscheint er wie der legendäre Figaro - Amendola hier, Amendola dort; allgegenwärtig fast taucht er bei den Tagungen der Grünen–Universitäten ebenso auf, wie bei der Lega per lambiente, beim World Wildlife Found wie bei den Amici della Terra und war bereits Kabinettschef im früheren Umweltschutzministerium. Sein Credo: „Nicht das Ende der Welt predigen - es aufhalten.“ Amendolas Werkzeug: „Die Gesetze zum Umweltschutz; denn die haben wir ja. Sie könnten natürlich noch viel besser sein, aber sie reichen bei weitem aus, die Entwicklung umzukehren - wenn man sie nur wirklich anwendet.“ Allerdings: „In England haben weniger als zehn Prozesse ge nügt, um die Industriellen davon zu überzeugen, daß sie sich an die Gesetze halten müssen; und in die Themse sind die Fische zurückgekehrt. In Rom sind trotz vieler tausend Verurteilungen, oft zu massiven Haftstrafen, Tiber und Anieno noch immer Kloaken.“ Was nicht hindert, daß unter Roms Politikern und Administratoren Panikstimmung aufkommt, wenn Amendola Amtsakte durchführt. Als er vorige Woche zwei Carabinieri ins Rathaus schickte und vom Bürgermeister Auskunft verlangte, was die Stadt seit seiner Anfrage im November zur Reduktion der Luftverunreinigung und des unerträglichen Lärms getan hat, verbreitete sich unter den Stadtvätern gleich das (von Amendola überhaupt nicht gebrauchte) Wort „Ultimatum“ - „schließlich wird die Stadt von den Politikern regiert und nicht von Amtsrichtern“, wüteten Angehörige der Mitte–Rechts–Regierung im Rathaus. Amendola sieht sich dadurch, eher vergnügt als verstört, in seiner Tätigkeit bestätigt - „die haben Muffensausen, wenn man ihre eigenen Gesetze anwendet“, sagt er zur taz. „Es wäre“, so ein Grüner, „der ideale Spitzenmann für eine Umweltpartei.“ Da aber sind nun wirklich Gesetze vor: Nach italienischem Recht darf sich kein Richter in eine Partei einschreiben. Der Ausweg: Kandidatur als „Unabhängiger“. Im kommenden Parlament wird Amendola daher mit ziemlicher Sicherheit zu finden sein - auch wenn er „große Skepsis gegenüber dem deutschen Glauben“ hat, daß man in Institutionen sitzen muß, wenn man etwas ändern will: „Was wir brauchen, ist eine Politik der Sensibilisierung innerhalb– wie außerhalb der Institutionen. Und da ist es gleichgültig, ob wir selbst drin sind oder aber willige Beamte dort unterstützen, wo sie unseren Zielen nützen. Der Druck von außen ist wichtiger als das Drinsein, bloß um auch drinzusein.“