Mit Rasenmähern für Reagan

■ In seiner eigenen Partei gerät Reagans Verhalten in der „Irangate“–Affäre immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik / Loyalität zum Präsidenten oder zum Land?

Aus Washington Stefan Schaaf

Ungewöhnliches fand manch republikanischer Abgeordneter in der vergangenen Woche in der Post–Spielzeug–Rasenmäher. Das vorweihnachtliche Präsent - mit besten Empfehlungen vom „Konservativen Aktionskomitee“ - hatte durchaus politische Bedeutung, wie die beigefügte Note rasch deutlich machte. Es sollte den verirrten Parlamentariern aus Ronald Reagans Partei den Weg aus dem „hohen Gras“ finden helfen, in das sie sich seit dem Ausbruch der Iran– Krise geflüchtet hatten. Reagans oberster PR–Mann im Weißen Haus, der grobschlächtige Patrick Buchanan, hatte in der vergangenen Woche weite Teile der republikanischen Partei just dort ausgemacht. Das Parteiestablishment, zeterte Buchanan in der „Washington Post“, schulde dem Präsidenten alles, was es sei und habe; doch „das ganze verdammte Pack“ sei „ins Gebüsch verschwunden“, als die Irangate–Affäre ins Rollen kam. Anstatt den Beteuerungen eines „feindlichen Kongresses“, die Wahrheit ermitteln zu wollen, Glauben zu schenken, sollten sie lieber verhindern, daß nach Nixon noch ein zweiter republikanischer Präsident „ruiniert“ werde. „Wenn der Mob im Hof auftaucht und den Kopf des Haushaltsvorstandes fordert, zwingt man den alten Mann nicht, eine Liste seiner Fehler zu machen, sondern feuert aus den oberen Stockwerken“. Buchanan stand nicht alleine mit seiner Philippika, wie die mit der Post ver schickten Rasenmäher beweisen, auch wenn die ätzende Schärfe seiner Worte ihresgleichen sucht. Doch die ungewöhnliche Form der Botschaft zeigt, daß die wahren Reagan–Loyalisten mittlerweile recht rat– und mutlos geworden sind. Der vorübergehende Bonus, den Reagan vorletzte Woche durch die Ernennung eines Sonderanklägers und die Beteuerung, alles zur Aufklärung der offenen Fragen tun zu wollen, erworben hatte, ist im Laufe der Woche zerflossen wie Schnee in der Sonne. Die von Reagan versprochene Aufrichtigkeit des Weißen Hauses blieb bisher aus, stattdessen erlebten Kongreßausschüsse eine Lawine von Aussageverweigerungen. Die egoistische Heimlichtuerei der mutmaßlichen Hauptschuldigen am Iran– und Contra– Fiasko trieb republikanische Senatoren reihenweise auf die Palme. „Wenn sie denn Nationalhelden sind“, sagte David Durenberger, Vorsitzender des Senats– Geheimdienstausschusses, über North und Poindexter, „warum desertieren sie, wenn der wahre Test ihrer Gefolgschaft für dieses Land ansteht?“ Der Präsident sei gefordert, dieses Problem zu lösen, so Durenberger. Patriotismus sei jetzt wichtiger als Egoismus, lautete die unterschwellige Botschaft an die „Nationalhelden“ North und Poindexter. Doch den Präsidenten schien in der vergangenen Woche wichtigeres zu beschäftigen als der wachsende Unmut in seiner eige nen Partei. Er zündete den Weihnachtsbaum vor dem Weißen Haus an, schüttelte Hände und empfing Zaires Diktator Mobutu. Die Hearings, die zwei Tage lang von allen großen TV–Stationen übertragen wurden, habe er nur gesehen, wenn er keine Sportübertragung finden konnte, witzelte er vor Reportern. Und am Freitag verkündete er, all „dies“ dürfe seine Administration nicht hindern, mit den übrigen Regierungsgeschäften fortzufahren. Doch genau dies ist eine der Sorgen, die republikanische Parteiführer quälen. Angesichts einer Administration, die die Affäre offenbar so weit wie möglich hinschleppen will, weil die Öffentlichkeit irgendwann die Lust an ihr verlieren könnte, sehen sie ihre eigene Handlungsfähigkeit äußerst eingeschränkt. Obwohl Probleme wie das Budgetdefizit drängen, wird der Kongreß mindestens ein halbes Jahr mit Anhörungen zubringen, um Licht ins dunkle Treiben von Reagans „Cowboys“ zu bringen. Die wertvolle Zeit, die profilierungswütigen Noch– Nicht–Kandidaten bis zum vollen Ausbruch des Präsidentschaftswahlkampfs Anfang 1988 bleibt, droht mit Prozeduren gefüllt zu werden, in denen die Republikanische Partei kaum gut aussehen wird. Und so drängeln die Aspiranten auf Reagans Nachfolge, daß er dem Spuk ein möglichst rasches Ende bereiten solle. Warum er die Sünder North und Poindexter nicht zu sich rufe, fragen sie, und von ihnen die volle Wahrheit verlange - um sie unmittelbar darauf dem amerikanischen Volk weiterzugeben. Selbst Watergate–Zombies wie John Ehrlichman bieten Ratschläge an - Reagan solle jeden Morgen um zehn eine Pressekonferenz abhalten und berichten, was er in den vergangenen 24 Stunden an Neuem herausgefunden habe. Viele Republikaner haben - im Unterschied zu Reagan, der damals noch in Kalifornien weilte - Watergate hautnah miterlebt und ihre Lektion gelernt. Von Buchanan dagegen, mault der Journalist David Broder nach dessen Volley gegen Reagans lasche Parteifreunde, könne dies nicht gesagt werden. Seine Lernkurve sei so flach wie die endlosen Weizenfelder in Kansas, meint Broder über Buchanan, der schon für Nixon Reden schrieb und gleich jenem einige Jahre im politischen Niemandsland verschwand, bevor er für die zweite Reagan–Amtszeit wieder ins Weiße Haus gerufen wurde. Daß er übers Ziel hinausgeschossen war, machte nicht nur Broders Rüffel deutlich. Selbst Ed Rollins, Reagans Wahlkampfmanager von 1984, merkte an, Buchanans „Ruf zu den Waffen“ sei „nicht der richtige Weg, Reagan zu helfen oder ihn zu verteidigen“. Die Kräfte in der Republikanischen Partei, die die Loyalität zu ihrem Präsidenten höher stellen als die zu ihrer Partei oder ihrem Land, sind in der klaren Minderheit. Die Mehrheit hat aus Nixons Fall gelernt.