Kampf ums Revier: Mit Sport gegen Springer

■ Initiative für eine RevieRRundschau: Zur Bundesligasaison 1987/88 soll in der „Metropole Revier“ eine neue Sonntagszeitung auf den Markt kommen / Noch werden Kommanditisten und stille Teilhaber gesucht / 500.000 Mark sind schon zusammengekommen

Von Benedict M. Mülder

Graciosa/Islas Canarias (taz) - Die beiden Großbuchstaben RR sind nicht als Anleihe bei einer britischen Nobelmarke der Autoindustrie zu verstehen, sondern als Initialen eines neuen Zeitungsprojektes. Die RevieRRundschau, so die Originalschreibweise, soll ab Herbst nächsten Jahres laut Werbetext, „jeden Sonntag für die ganze Woche“ zur Aufhellung des bislang eher düsteren Zeitungsmarktes an Wupper und Ruhr beitragen. Das Rundschau– Konzept der Initiatoren um Bernd Sippmann und Wolfgang Schröder vom Essener Klartext–Verlag erinnert zunächst an den etwas schal gewordenen linken Traum einer Boulevard–ähnlichen Zeitung, die Springers Blätter mit den gleichen Waffen auf eigenem Terrain schlagen will. „Wir wollen über die linken Leser hinaus“, erklärt der 59jährige Wolfgang Schröder, der einst für die in Berlin herausgegebene Tageszeitung Die Neue den Betriebs– und Gewerkschaftsteil betreute. „Heran an die BamS–Leser“, ist sein Motto. Um in „Springers Revier zu wildern“, soll das Paradestück, ein sechsseitiger Sportteil, das Zuckerle für den eingefleischten Schalke–Fan abgeben. Denn der ist jetzt auf die Gazetten Welt– und Bild am Sonntag angewiesen. Diesen Tag hat nämlich auch die allmächtige WAZ–Gruppe mit ihren fünf Tageszeitungen (Gesamtauflage 1,1 Millionen Exemplare) rechts/links liegen gelasssen. Hinzu kommt nach Meinung der RR–Initiatoren, daß „es die Konzentration auf dem Zeitungsmarkt immer schwerer macht, Positionen linker Sozialdemokraten, kritischer Gewerkschafter, ganz zu schweigen von Grünen oder Alternativen zu veröffentlichen“. Und obwohl da viel vom Konzept „Gegenöffentlichkeit“ mitschwingt, sollen die „vorhandenen Informations– und Unterhaltungsbedürfnisse der Menschen, ihre Lesegewohnheiten akzeptiert werden“. Der „Nischenexistenz alternativer Zeitungen“ hofft man auf diese Weise entgehen zu können. Was wird dem Publikum im „wilden Westen“ angeboten? Neben, wie gesagt, „konkurrenzlos informativer Sportberichterstattung“ ein 16seitiger Mantel mit dem Tagesaktuellen vom Sonnabend, ein Wirtschaftsteil über „Kapital und Arbeit“ sowie das „Sonntagsgespräch“ mit Otto Schily beispielsweise. Die besondere Service–Leistung dürfte in einem 32seitigen Kulturmagazin mit den Terminen der Woche be stehen. Dazu sind mehrseitige Lokalausgaben geplant, unter anderem eine für Wuppertal, der wegen der Fusion mit den Wupper Nachrichten schon jetzt feststeht. Das westliche Ruhrgebiet, Bochum, Essen und Dortmund sollen folgen, ganz wie es Auflage, Finanzen und die Leser wollen. Und die sind, wenn man dem Osnabrücker Dieter Otten glau ben darf, begierig auf neues Lesevergnügen. Der empirische Sozialforscher, zugleich Mitiniator des Projektes und also nicht ganz frei von frommen Wünschen, rechnet mit 50.000 bis 70.000 Lesern im ersten Jahr und einer Auflagenobergrenze von 300.000 Exemplaren. Die Gruppe der „Nicht– Käufer“ sei im Ruhrgebiet sonntags deutlich höher als die der „BamS–Käufer“, hat er festgestellt, und zusätzlich könne von denen jeder vierte rübergezogen werden, weil er die BamS eigentlich nur widerwillig liest. Wenn ihm das Woche für Woche 30.000 Käufer gleichtun, ist für das ehrgeizige Projekt, so die Projektberechnungen, die Rentabilität „bei geringen Anzeigenerlösen“ und einem Verkaufspreis von zwei Mark gesichert. Ingesamt wird für das erste Jahr bei Löhnen, die nicht höher als 3.000 Mark liegen sollen, mit einem Kapitalbedarf von rund 700.000 Mark gerechnet. Stolz wird darauf verwiesen, daß „vorfristig“, ohne große Öffentlichkeitsarbeit, 500.000 Mark zusammengetragen wurden. „Am 15. Dezember gründen wir die GmbH, am ersten Januar beginnt die Konkretion des Projektes, und Ende März fallen die endgültigen Beschlüsse“, frohlockt Wolfgang Schröder. Spätestens dann wird auch die Konkurrenz aufwachen, von denen „man sich zum Glück“, wie es heißt, „noch nicht ernst genommen fühlt“. Wie denn auch sonst im Revier argwöhnisch zugeguckt wird. Den Chefreporter des Ruhrpott– Szeneblattes Marabo ließ der sozialdemokratische Vorwärts das Vorhaben kommentieren: „Eine aberwitzige Idee, darauf kann nur ein linker Debattierclub kommen.“ Auch die DKP, so ist zu hören, „will nicht einsteigen, verhält sich ablehnend“. Der Dortmunder Medienwissenschaftler Paetzold sieht „in dem unterentwickelten Ruhr– Markt relativ günstige Chancen“ für das Vorhaben, „das vernünftigerweise lokale und regionale Komponenten“ miteinander verbinde. Initiator Bernd Sippmann baut ebenfalls darauf, daß das „Ballungszentrum“ zwischen Duisburg und Dortmund zusammenwächst und der rußgeschwärzte Ruf des „Industriemuseums“ (“Wir– Gefühl“) längst einer differenzierten Beschreibung der Lebensverhältnisse im Pott gewichen ist. „Nichts ist so grau, nichts verbreitet mehr Langeweile als die Avantgarde von der Stange, als der Fortschritt, der sich selbst überholt hat“, lästerte vor Jahren noch die FAZ über die Verhältnisse im Revier. Bodo Hombach, Rau–Intimus, Wahlkampfmanager und Identitätsproduzent, sieht für das Ruhrgebiet längst eine andere Entwicklung als die von RR angestrebte sportive: „Die Zeiten der Oberliga West, in der Fußballfreunde sich nordrhein–westfälisch orientierten“, sagt Hombach, „sind längst vorbei.“ Dazwischen wird die RR ihren Kurs steuern müssen, wenn es nicht schon beim Start im „wilden Westen“ das Schicksal vieler stillgelegter Zechen ereilen soll. Wer mehr über RR wissen will, wende sich an den Klartext– Verlag, Viehofer Platz 1, 4300 Essen 1. Tel.: 0201/23 45 38