Strahlender Käse ohne Garantie

■ Radioaktiver Käse sollte in die Dritte Welt versteigert werden / Staatsanwaltschaft ermittelt Entschuldigung: Geigerzähler defekt / Rückgaberecht ausgeschlossen / Verfängliche Ware zum Teil ersetzt

Aus Rom Werner Raith

Eigentlich sollte die Sache „ganz unter Experten bleiben“ - so jedenfalls das „vertrauliche“ Einladungsschreiben der „Azienda per gli interventi sul mercato agricolo“ (AIMA), das „eine Reihe spezialisierter Unternehmen“ eingeladen hatte, um am 23. Dezember 1986 an der Versteigerung besonders preisgünstigen Milchpulvers und von Milchprodukten teilzunehmen. „Ganz zufällig“, so verteidigt sich die AIMA heute, sei es gewesen, daß man nur solche Händler eingeladen hatte, die in Dritte–Welt–Länder ausführen - Staatsanwalt Giorgio Santocroce aus Rom glaubt an keinen Zufall: wie er - nach Zeitungsberichten - herausgefunden hat, handelt es sich bei den Versteigerungsge genständen ausschließlich um Milchprodukte, die in der Zeit der Tschernobyl–Wolke hergestellt worden waren und nun längst vernichtet sein sollten. Der Skandal hat besondere Dimensionen angenommen, weil die AIMA eine staatliche Stelle ist, die direkt dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist. Kein wunder also, daß das Ministerium heute nichts gegen die Aktion unternommen hat. So mußte erst das Gesundheitsministerium einschreiten, um die skandalöse Versteigerung zu unterbinden. Und von diesem Zeitpunkt an arbeiteten auch die Nebelwerfer aller Schattierungen auf Hochtouren: Da hatten die AIMA–Beamten angeblich gedacht, daß alles „nur für Tiere, nicht für Menschen gedacht sei“, dann wiederum hatten „die Geigerzähler keinerlei Ausschlag gezeigt, man war sich aber erst später bewußt geworden, daß sie einen Defekt hatten; schließlich seien auch die Abfülldaten auf einigen Milchpackungen (von insgesamt zweitausend Zentnern) schlecht leserlich oder die Verpackungsaufdrucke des Käses (20.000 Zentner Quark) verwischt gewesen. Merkwürdigerweise gut zu lesen war jedoch der Haftungsausschluß der Versteigerer - auf allen Packungen war eine Plakette angebracht, wonach „der Käufer auf jegliche Reklamation hinsichtlich der Qualität des Produktes verzichtet“. Die Schwierigkeiten des Staatsanwalts Santacroce bestehen vor allem darin, der mutmaßlich „stahlenden“ Milchprodukte habhaft zu werden - so sollen Teile davon durch unverfängliche Ware ersetzt worden sein.