Unsagbare Wahrheiten

■ Im Antes–Buch müssen Passagen geschwärzt werden

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit habe hier Vorrang vor dem Recht auf Meinungsfreiheit, befand das Landgericht Berlin. Damit bestätigte es gestern drei Berliner Baulöwen, sie hätten ein Recht darauf, daß Ermittlungsverfahren, die gegen sie eingeleitet und dann eingestellt wurden, nicht erwähnt werden. Wohlgemerkt geht es nicht darum, daß in der Passage etwas Falsches stand. Es geht auch nicht mehr darum, daß die Einstellung des Verfahrens unerwähnt blieb. Wahre Tatsachen seien behauptet worden, erkannte auch der Richter, aber auch aus Resozialisierungsgründen habe der Betroffene das Recht, nicht ständig „an den Pranger gestellt“ zu werden. Eigentlich ist die Haltung des Richters ja durchaus begrüßenswert, wenn man an die Opfer bestimmter Druckerzeugnisse denkt und bedenkt, wie leicht ein jeder Gegenstand von Ermittlungsverfahren werden kann. Nur sind die drei Herren eben keine unbekannten Privatpersonen, sondern Leute, die sich einmischen, indem sie etwa der FDP finanziell unter die Arme greifen und an Bauprojekten beteiligt sind. Damit agieren sie auch politisch. Auf Politiker nämlich, das konstatierte selbst der Anwalt der Bauunternehmer, müsse man selbstverständlich andere Maßstäbe anlegen. Wenn das Beispiel Schule macht, hätte dieses Urteil weitreichende Folgen etwa für die Geschichtsschreibung über den Berliner Sumpf. Wer aus welchen Gründen in den zunächst begründeten Verdacht geriet, kräftig von den wohlbekannten Filzstrukturen des Baugewerbes in Berlin profitiert zu haben, darf schlicht nicht mehr erwähnt werden. Berichtet werden darf nur noch, solange die Ermittlungen laufen. Das könnte sogar die absurde Situation ergeben, daß man über jemanden nur dann sagen darf, es werde gegen ihn ermittelt, solange die Ermittlungen laufen. Offenbar ist auch die Wahrheit manchmal auf der Seite der Stärkeren. Rita Hermanns