Erster privater TV–Kanal vergeben

■ Berliner können ab August 1987 über Antenne das SAT–1–Programm empfangen / Konsortium von Zeitungsverlegern mit Springer–Akzent / Linksalternatives „Radio 100“ noch ungesichert

Aus Berlin Birgit Meding

Nach langem Tauziehen beschloß am Samstag der Berliner Kabelrat unter Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtes Benda, dem Verleger–Konsortium SAT 1 den Zuschlag für den ersten privaten Fernsehkanal zu erteilen. Zu Beginn der Internationalen Funkausstellung am 28. August 1987 können die Berliner Haushalte das neue Fernsehprogramm über Antenne empfangen. Neben dem Medienmulti Holtzbrinck sind an diesem Konsortium die „Aktuelle–Presse–Fernsehen“–GmbH (ein Zusammenschluß von 165 Zeitungsverlegern) sowie der Springer–Konzern beteiligt, der bereits den Berliner Pressemarkt maßgeblich beherrscht. Wie eine Sprecherin der Anstalt für Kabelkommunikation mitteilte, habe es Kopf–an–Kopf–Rennen mit dem weiteren Bewerber RTL–plus, einer Bertelsmann– Tocher, gegeben. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei jedoch gewesen, daß SAT 1 die stärksten medienpolitischen und wirtschaftlichen Aktivitäten angeboten habe. So habe sich das Verleger–Konsortium verpflichtet, „als einzige derartige Gesellschaft“ eine Produktions–GmbH in Berlin zu gründen, sowie die überregionale Produktion (außer den Nachrichten) in die Halbstadt zu verlegen. Für 1,5 Mio. DM sei auch eine TV–Serie geplant. Hinsichtlich einer möglichen „Meinungsvormacht“ durch den Springer–Konzern forderte der Kabelrat, „entsprechende Vorkehrungen“ zu treffen. Dies betrifft insbesondere die Ausgestaltung der regionalen „Fenster“ des Fernsehkanals, worauf sich auch Springer beworben hatte. Eines dieser Fenster wird voraussichtlich der RIAS mit einem vierstündigen Fernsehprogramm füllen. Der Senat begrüßte die Entscheidung des Kabelrates. Es bedeute eine Bereicherung der Medienvielfalt und eine attraktive Programmerweiterung für die Zuschauer in Ost und West. Ein Sprecher des Verlierers RTL–plus kritisierte das Votum für SAT 1 unterdessen als „folgenschwere Entscheidung“, die eindeutig gegen die vom Gesetz geforderte medienpolitische Ausbalancierung der Kräfte verstoße. Hier sei nach politischer Opportunität entschieden worden. Bei der Frage, ob neben der Schamoni–Mediengesellschaft, in der u.a. Vertreter der umstrittenen Berliner Baubranche finanziell engagiert sind, noch das linksalternative Konsortium „Ra dio 100“ auf der ersten privaten Hörfunkfrequenz mitfunken wird, kam der Kabelrat noch zu keinem endgültigen Votum. Radio 100, das vom „Anderen Radio Berlin“, dem Schwulenfunk „Eldoradio“ und dem Linksrheinischen Rundfunk betrieben wird, soll noch einen „konkreteren Finanzplan“ vorlegen. Zum 1.1.1987 wird die erste Frequenz frei; ob sie zu diesem Zeitpunkt tatsächlich mit einem Programm belegt wird, erwartet man in der Anstalt für Kabelkommunikation „mit Spannung“. Beide Bewerber hatten durchblicken lassen, daß sie erst spätersendefähig sind.