Neue Runde im Kampf um die WAA

■ Die bundesdeutsche Anti–AKW–Bewegung beschließt bundesweite Treffen in Nürnberg

Wir lassen uns nicht einschüchtern und uns schon gar nicht von der bayrischen Polizei. Nach diesem Motto beschloß am Wochenende eine gutbesuchte Vorbereitungsrunde für das Bundestreffen der Anti–AKW–Bewegung trotz des Verbots in Regensburg wiederum eine bayerische Stadt, Nürnberg, zum Austragungsort zu machen. Dort treffen sie auf Staatssekretär Peter Gauweiler. Annähernd 120 Vertreterinnen und Vertreter von Anti–AKW– BIs aus dem gesamten Bundesgebiet und aus West–Berlin beschlossen am Samstag in Frankfurt: „Die nächste Bundeskonferenz (BuKo) findet vom 16.–18. Januar 1987 in Nürnberg statt.“ Der Beschluß - nach siebenstündiger Debatte gefaßt - und von allen Teilnehmern mit Ausnahme weniger Vertreter aus Kassel und Göttingen getragen, soll weniger ein inhaltliches als ein politisches Signal sein. Man lasse sich nicht noch einmal das Recht auf Versammlungsfreiheit, schon ganz und gar nicht durch Polizeiübergriffe wie jüngst in Regensburg und später in ganz Bayern, streitig machen. Im Verlauf der hitzig geführten Diskussion, die das Plenum zeitweise an den Rand einer Beschlußunfähigkeit brachte, kristallisierte sich bereits am frühen Nachmittag heraus, daß mit allen Mit teln die Konferenz durchgeführt werden soll. Zur Not will man selbst auf Ausweichquartiere wie etwa das Nürnberger DGB–Haus zurückgreifen oder sich gar in den Schutz der Landesausschußsitzung der bayrischen Grünen begeben. Vorerst wurde folgender, in weiteren Vorbereitungen noch von den Nürnberger Gruppen und von der Radi–aktiv zu präzendierender Fahrplan erarbeitet: Den Auftakt zur BuKo soll am Freitag, den 16. eine Diskussion über die Kriminalisierung der Bewegung bilden, am darauffolgenden Samstag soll eine Demonstration zum KOMM stattfinden, in dem dann die AGs ihre Arbeit aufnehmen und die Aktionen für 1987 planen sollen. Am Abend wird es dann ein rauschendes Fest geben, am Sonntag schließlich nochmals ein Plenum. Sollte die SPD–regierte Stadt Nürnberg, wie nach Einschätzung der Delegierten zu erwarten, ein Versammlungsverbot und dementsprechend einen Belagerungszustand verhängen, will man auf keinen Fall neuerlich weichen. Einem pressewirksamen Umzug ins österreichische Salzburg wurde ebenso eine entschiedene Absage erteilt, wie dem Vorschlag der Vertreter der Anti–Startbahn West BI, gegebenenfalls nach Mörfelden–Walldorf umzuziehen. Vielmehr sollte, falls es zu dem Verbot kommt, eine bundesweite Mobilisierungskampagne Tausende von Demonstranten am Samstag nach Nürnberg bringen. Zeitgleich werden in den übrigen westdeutschen Städten dezentrale Aktionen geplant. Sollte die BuKo so zu einem Widerstandstag werden, der keinen Raum mehr für eine inhaltliche Diskussion bietet, werde man einen neuerlichen Termin auf der Atommüll–Konferenz diskutieren. Daß der Kongreß in Frankfurt nach diesem Beschluß noch weitere drei Stunden tagen mußte, lag an der Diskussion über den Aufruf zu Nürnberg. Im Vorfeld waren bereits mehrere Aufrufe im Umlauf, so daß zum einen sowohl für als auch gegen Nürnberg mobilisiert wurde, ohne das hierzu eine Autorisierung vorlag. Schließlich einigte man sich auf einen der Regensburger Aufrufe, der, geringfügig verändert, die Beschlüsse eines Rumpfplenums nach der Zerschlagung der letzten BuKo darstellt. Weiterhin soll in einem Aufruf der Nürnberger Gruppen die demokratische Öffentlichkeit zur Unterstützung aufgefordert werden. Erstunterzeichner sind neben Robert Jungk u.a. Friedens– und Dritte–Welt–Gruppen sowie der Bundesvorstand der Grünen, die DFG–VK, die Landeskonferenz der Oberpfälzer BIs und weitere 30 Initiativgruppen. Durch diesen breitgefächerten Unterstützerkreis soll zum einen die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf die bevorstehenden Ereignisse gelenkt werden, zum anderen den bisher noch nicht gänzlich integrierten „Becquerel– Gruppen“, sprich den Nach– Tschernobyl entstandenen Anti– AKW–Gruppen, aus dem bürgerlichen Spektrum der Zugang zur nun schon im zehnten Jahr aktiven BuKo erleichtert werden. Am Ende waren dann alle Teilnehmer erleichtert. Man hatte den Eklat vermieden und kann sich nun gestärkt den vorliegenden Aufgaben widmen. Michael Blum