U–Boot–Pläne hatten Geheimvermerk

■ Widersprüchliche Angaben über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen HDW / Wörner angeblich von Beginn an gegen U–Boot–Geschäft / Fünf Minister und Bundeskanzler Helmut Kohl waren informiert

Nach einem Bericht der „Kieler Nachrichten“ unterlagen Teile der von HDW und dem Ingenieurkontor Lübeck an Südafrika verkauften Pläne für den Bau von U– Booten strenger militärischer Geheimhaltung. Es soll sich dabei zum Teil um Mikrofilme und Akten mit den Konstruktionsplänen für das U–Boot vom Typ 209 gehandelt haben, das die bundeseigene Werft auch für Indien baute. Die U–Boote von diesem Typ hätten einen geräuschlosen Motor mit einer Verdrängung von 1.500 Tonnen. Zusätzliche, an Südafrika gelieferte Unterlagen sollen Herstellungsverfahren für antimagnetischen Stahl enthalten, der nur aus seltenen Metallen hergestellt werden kann, die Südafrika selbst fördert. Das Kieler Blatt will darüber hinaus wissen, daß Verteidigungsminister Wörner danach bereits im Sommer 1984 von dem Handel abgeraten habe. Die Kieler Zeitung zitiert darüber hinaus aus einem Brief des Ingenieurkontors Lübeck (IKL) an Bundesfinanzminister Stoltenberg: „Am 16. Juni 1984 beschließen HDW, IKL mit dem Kunden Vertrag für kleine Lösung ( Blaupausenverkauf an Südafrika). Dabei Vorbehalt bis 15.8.84: Genehmigung durch Regierung der Bundesrepublik Deutschland erforderlich. Mittlere Lösung wird angestrebt. (d.h. Lieferung von U– Boot– Komponenten) Mitglieder der deutschen Regierung fragen uns, warum nicht große Lösung, also Bau kompletter U–Boote in Kiel. Wir warten ab. Basis für die südafrikanischen Boote: Export– Boote für Indien.“ Darüber hinaus wurde den KN bekannt, daß der Kaufpreis von 46 Millionen DM inzwischen in der Bilanz von HDW nachgewiesen sei und somit die Behauptung des Unternehmens, es sei „kein Geld vereinnahmt worden“ fragwürdig sei. Auch eine von dem Unternehmen behauptete Rücküberweisung müsse jetzt angezweifelt werden. Trotz allem sah Generalbundesanwalt Rebmann auch nach den jüngsten Erkenntnissen keinen Grund Ermittlungen einzuleiten. Oberstaatswanwalt Prechtel erklärte der taz auf Anfrage, daß die Bundesanwaltschaft nur zuständig wäre, wenn es sich um Verrat von Staatsgeheimnissen (Landesverrat) oder um Agententätigkeit handeln würde. „Längst nicht jedes militärische Geheimnis ist Staatsgeheimnis“, meinte der Pressesprecher Rebmanns. Auch die Staatsanwaltschaft in Kiel sieht bisher keinen Anlaß für offizielle Ermittlungen. Sie ist jedoch „eingeschaltet worden“, wie mitgeteilt wurde. Denn bei einem Verstoß gegen das für Waffenverkäufe und Verkauf von Konstruktionsplänen zutreffende Außenwirtschaftsgesetz sei die Oberfinanzdirektion zuständig. Man habe jedoch, so Prechtel, die Staatsanwaltschaft Kiel um Unterrichtung gebeten, falls sich an der Sachlage etwas ändere. Bekannt ist bei der Staatsanwaltschaft in Kiel, daß in der dorti gen Oberfinanzdirektion die Oberregierungsrätin Franke seit einem Jahr ermittelt, ob es sich bei dem Verkauf der U–Boot–Pläne um eine Ordnungswidrigkeit (OWI) und somit um einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) handelt. Sollte die Oberregierungsrätin zu diesem Schluß kommen, könnte sie ein Bußgeld bis zu 500.000 DM verhängen. Jetzt ist die Oberregierungsrätin jedoch bis zum neuen Jahr erst einmal in den Urlaub gegangen. Die Staatsanwaltschaft in Kiel könnte, wie ein Sprecher gegenüber der taz erläuterte, erst dann ermitteln, wenn die Oberfinanzdirektion zu dem Ergebnis kommen sollte, daß bei der Weitergabe entweder der Frieden der Völker oder die äußere Sicherheit der Bundesrepublik oder die Auswärtigen Beziehungen empfindlich gestört worden seien. Sollte einer der drei nach Paragaph 34 des AWG aufgeführten besonderen Merkmale in Betracht kommen, dann würde aus der Ordnungswidrigkeit ein Straftatbestand und dann müsste sich die Staatswanwaltschaft damit beschäftigen. Ein Kieler Staatsanwalt: „Ein Amtsgericht würde darüber verhandeln“. Zu entscheiden, ob die Auswärtigen Beziehungen durch den Verkauf der U–Boot–Pläne gestört worden sind, hat die Bundesregierung und würde sich somit selbst belasten. Nach Auskunft des Obmanns der SPD im Untersuchungsausschuß zur U–Boot–Affaire, Norbert Gansel, sind nicht weniger als fünf Ressorts der Bundesregierung sowie Bundeskanzler Kohl und Franz Josef Strauß an mehr als einem Dutzend Gesprächen auf Ministerebene mit HDW und dem IKL in die Verkaufspläne involviert. Unterdessen hat der HDW– Vorstand das Ansinnen der beiden U–Boot–Ausschußmitglieder der Grünen, Uschi Eid und Jo Müller um einen Besuchstermin bei HDW endgültig abgelehnt.