Zensuren für WAA–Kundgebung

■ Maulkorb für Robert Jungk bei der Kundgebung in Wackersdorf / Kinder als „passive Bewaffnung“ noch nicht salonfähig / Auflagen sind eine „Unverschämtheit“ / Polizei kündigt Einschränkungen an

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Die bayerischen Gralshüter für Sicherheit und Ordnung sind immer für eine Überraschung gut. Hatte man im Freistaat bereits den Wald um das Baugelände der WAA zum „Schutzraum für militante Störer“ umdefiniert und damit zum Kahlschlag freigegeben, so hat nun die Landesanwaltschaft in Vertretung des Landratsamts Schwandorf, der Regierung der Oberpfalz und des Innenministeriums eine Pioniertat vollbracht und den Stellenwert von Kindern völlig neu definiert. „Kinder sind eine passive Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes“, heißt es ab sofort im Freistaat, der sich bundesweit als Förderer der Familie versteht. Noch ist diese Definition allerdings nicht salonfähig. Das Verwaltungsgericht in Regensburg hat der Auflage, wonach die Mitnahme von Kindern unter 12 Jahren auf die am 26.12. um 13.00 Uhr in Wackersdorf stattfindende Kundgebung verboten ist, eine entschiedene Absage erteilt. Die Landesanwaltschaft gab sich damit nicht zufrieden und rief den Verwaltunggerichtshof in München an, um „verantwortungslosen Erwachsenen“, die „Kinder, zum Teil Kleinkinder, als Schutzschild gegen polizeiliche Einsätze mißbrauchen“ ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Die Schwandorfer Bürgerinitiative, die die Kundgebung angemeldet hatte, hält diese Auflage schlichtweg für eine „Unverschämtheit“ und wies darauf hin, daß zu Ostern und Pfingsten ohne ersichtlichen Grund Familien mit Kindern ca. 100 Meter vom Bauzaun entfernt mit CS–Gas eingedeckt wurden. Eine andere Auflage, „die alles bisher Dagewesene in den Schat ten stellt“ (Jochen Dieckmann, Pressesprecher der BI), bleibt jedoch vom Verwaltungsgerichtsentscheid unberührt. Sie betrifft den Zukunftsforscher Robert Jungk und untersagt ihm unter Berufung auf die „Oberpfälzer Nachrichten“, bestimmte Äußerungen von der Großdemonstrtaion in Hanau am 8.November zu wiederholen, die damals einen Aufschrei der Empörung im bundesdeutschen Blätterwald ausgelöst hatten. So ist es unzulässig, daß der Veranstalter oder die Redner Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden, die eine Straftat zum Gegenstand haben. „Dies gilt insbesondere für Äußerungen eines Redners“, betont das Landratsamt Schwandorf und konkretisiert dies in der Begründung der Auflagen. „Gerade Herr Professor Robert Jungk hat in Hanau zu Straftaten aufgerufen. Sinngemäß äußerte er damals: „Hauptsache Widerstand, egal ob friedlich oder militant“ und „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“. Die BI Schwandorf spricht in diesem Zusammenhang von „unerträglicher Zensur“. Während die BI weiterhin davon ausgeht, daß die Aktionstage zwischen Weihnachten und Neu jahr stattfinden werden, kündigte die Polizei an, sie werde die „kleinsten Störungen sofort beseitigen“, so Polizeipräsident Fenzl. „In ausreichender Stärke“ seien Polizei, Bundesgrenzschutz und Sondereinsatzkommandos präsent. Auch Bayerns neuer Saubermann, Innenstaatssekretär Peter Gauweiler, wird an Weihnachten vor Ort sein und den Einsatzkräften ein frohes Fest wünschen.