SAT–1 als Gewinner

Über das mit dem Ende des alten Jahres ausgelaufene Kabelpilotprojekt Ludwigshafen dürfen sich rückblickend auf den zweijährigen Betrieb vor allem zwei Personen freuen: Ministerpräsident Bernhard Vogel von Rheinland– Pfalz, erfolgte doch mit dem ersten der vier Pilotprojekte in der Bundesrepublik der Startschuß für den privaten Rundfunk hierzulande in seinem Bundesland, und Vogels ehemaliger stellvertretender Regierungssprecher Jürgen Doetz. Dessen Privatfernsehunternehmen - Doetz ist in Personalunion Geschäftsführer der „Programmgesellschaft für Kabel– und Satellitenrundfunk“ (PKS) und von SAT–1 (der PKS– Anteil an SAT–1 beträgt 40 Prozent) - profitierten nicht unerheblich vom Kabelpilotprojekt Ludwigshafen. Nachzulesen ist das in einem Gutachten, das SAT–1 Mitte 1985 zum Thema „AKK und SAT–1“ erstellen ließ. AKK ist das Kürzel der „Anstalt für Kabelkommunikation“, die das Pilotprojekt Ludwigshafen betrieb. Ziel des Projektes hätte es eigentlich sein sollen, ein „möglichst vielfältiges Programmangebot zu produzieren beziehungsweise abzuwickeln“, wie es in dem Gutachten heißt. Weit her war es mit dieser Zielsetzung allerdings nicht. Für den sogenannten „Offenen Kanal“ als neuer Programmform standen beispielsweise 1986 laut dem AKK–Finanzplan ganze 500.000 Mark bereit. Wesentlich mehr AKK–Gelder verschwanden dagegen bislang im Rachen von SAT–1. In dem Gutachten heißt es dazu: „SAT–1 profitiert ganz offensichtlich, so wie alle übrigen Programmveranstalter, von der der AKK gewährten Basisfinanzierung aus der Rundfunkgebühr (Kabelgroschen).“ Dieser „Kabelgroschen“ wurde in den vergangenen drei Jahren aus den Gebühren der Rundfunkteilnehmer in der Bundesrepublik abgezweigt und erbrachte 35 Millionen Mark pro Kabelpilotprojekt. Der Bürger also zahlte und heraus kam dabei - wie es sich dem internen und bislang unveröffentlichten Gutachten von Mitte 1985 entnehmen läßt - folgendes: „Die gegenwärtigen Zahlungen von SAT–1 an die AKK betragen pro Jahr 365.000 DM.“ Die AKK selbst bewertete damals ihre „Dienstleistung für SAT–1“ laut dem Gutachten mit 2,1 Millionen Mark pro Jahr, SAT–1 sprach von 1,6 Millionen Mark. Zitat: „Der Deckungskostenbeitrag von SAT–1 beläuft sich auf Basis der obigen Ziffern nur auf 17,4 beziehungsweise 22,8 Prozent.“ Und das war noch längst nicht alles: „Gegen Zahlung ebenfalls stark subventionierter Nutzungsentgelte nehmen einige SAT–1–Konsorten zeitweise das Fernsehstudio der AKK in Anspruch“, wie laut dem Gutachten „nebenbei vermerkt“ wurde. Nebenbei zu bemerken ist auch, wer SAT–1 und „Konsorten“ sind: Beileibe keine Firmen, die am Hungertuch nagen, sondern Medienkonzerne wie Springer und Holtzbrinck, der Nachrichtenveranstalter APF (dahinter stehen die meisten der bundesdeutschen Tageszeitungsverlage), oder die PKS. Letztere gehört einer Tochtergesellschaft der Deutschen Genossenschaftsbank (DG–Bank), der Hausbank des Münchner Filmzaren Leo Kirch. Der wiederum, Europas größter Filmhändler, verkauft seine Fernsehrechte an Serien und Filmen nicht nur fleißig an ARD und ZDF, sondern auch an die PKS und damit an SAT–1. Rund zwei Drittel des SAT–1–Programms bestehen aus PKS– und damit hauptsächlich aus Kirch–Ware, die wiederum zu einem nicht unerheblichen Teil schon in ARD und ZDF zu sehen war. In der ersten Januarwoche 1987 laufen beispielsweise bei SAT–1 gleich zehn Serien wie „Daktari“ oder „Schirm, Charme und Melone“, die allesamt höchstens nostalgische Anknüpfungspunkte haben. Sat–1 hängt RTL–Plus ab Zu der Zielsetzung eines „möglichst vielfältigen Programmangebots“ beim privaten Fernsehen trägt derartiges sicher nicht bei. Doch trotz des Umstandes, daß an manchen Tagen bei SAT–1 neben Filmen und Serien nur noch Nachrichten und Werbung zu sehen sind, soll dieser private Fernsehveranstalter wegen seiner „größeren Vielfaltsgewähr“ gegenüber anderen Privatanbietern (Hauptkonkurrent: RTL–Plus) in Bayern vorrangig Zugang zu drahtlosen Fernsehkanälen erhalten. Solche Kanäle ermöglichen einen Programmempfang per Dachantenne und nicht mehr nur per Kabel der Bundespost und vergrößern damit schlagartig die Zuschauergemeinde und damit auch das Werbepublikum der noch arg in den roten Zahlen steckenden kommerziellen TV–Veranstalter. In München ist SAT–1 bereits vorab - die entgültige Zuteilung steht noch aus - über solch einen drahtlosen Kanal zu sehen, in Koblenz und Mainz seit Weihnachten ebenfalls und in Berlin fiel eine Entscheidung zugunsten von SAT–1 kurz vor Weihnachten. Das Zwischenergebnis im Wettlauf um die begehrten drahtlosen Kanäle zwischen SAT–1 und RTL–Plus (Bertelsmann, CLT Luxemburg, WAZ und FAZ) lautet damit 4 : 0 für SAT–1. Mehr Springer für Berlin In Berlin begrüßte der CDU– Senat die Kanalvergabe an SAT–1 als eine „Bereicherung der Medienvielfalt in Berlin und eine attraktive Programmerweiterung für die Berliner Fernsehzuschauer in West und Ost“. Mit der Wirklichkeit haben derartige Lobhudeleien nichts zu tun: Das Programm von SAT–1 verdient die Bezeichnung Programm nicht und die Zusammensetzung von SAT–1 ist alles andere als vielfältig. 40 Prozent hält, wie erwähnt, die PKS, bei der im Hintergrund der Münchner Filmhändler Kirch auftaucht. Jeweils 15 Prozent gehören dem Springer–Konzern und der APF, an der wiederum Springer mit mehr als einem Drittel beteiligt ist und damit die führende Rolle spielt. Der Film–Zar Leo Kirch wiederum besitzt - offiziell - zehn Prozent der Springer– Aktien, über Strohleute soll er bereits weitere Prozente erworben haben. Angesichts dieser Umstände ist in der Medienbranche im Hinblick auf SAT–1 von einem „Springer–Kirch–Fernsehen“ die Rede. Dieses Fernsehen soll also nun zur „Medienvielfalt“ in Berlin beitragen, einer Stadt, in der Springer bereits 80 AUTOR_________: Klaus Ott