P O R T R A I T Neuer US–Sicherheitsberater Carlucci im Amt

■ Der neue Sicherheitsberater Reagans gilt als ein Mann der CIA und Schützling Verteidigungsminister Weinbergers / Carluccis Diplomatenkarriere spielte sich an Brennpunkten amerikanischer Interessenpolitik ab / Saubermann oder Brandstifter? / Umgeben mit anitkommunistischen Hardlinern

Aus Washington Stefan Schaaf

Als das offizielle Washington am gestrigen Freitag durch die tiefverschneiten Straßen der Hauptstadt zum ersten Mal seit den Weihnachtsfeiertagen wieder den Schreibtischen zustrebte, war einer unter ihnen, der den Iran–Contra–Skandal zwischenzeitlich nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte. Frank Carlucci, der am 2. Januar seinen neuen Job als Nationaler Sicherheitsberater Präsident Reagans antrat, war der erste Feuerwehrmann, den die Reagan–Administration gerufen hatte, um den politischen Brand ums Weiße Haus löschen zu helfen. Carlucci war von Reagan zum Nachfolger Admiral Poindexters bestellt worden, nachdem jener im Zuge der Affaire um die Abzweigung von Geldern aus dem iranischen Waffen–Deal an die Contra seinen Hut nehmen durfte. Unter Poindexter war der Nationale Sicherheitsrat (NSC) aus den Gleisen geraten, hatte sich zu einer Nebenregierung entwickelt. Ob es Waffenlieferungen an als „terroristisch“ gebrandmarkte Staaten wie den Iran waren oder nur eine schlichte Desinformationskampagne wie die gegen den libyschen Revolutionsführer Ghaddafi - Poindexters Leute organisierten schnell und effektiv. Selbst zu Zeiten von Egozentrikern wie Kissinger oder Brzezinski an der Spitze des Sicherheitsrats hatte sich dieses Gremium nicht dermaßen heftig ins politische Geschäft eingeschaltet und derart grob gegen die vom Parlament ausgegebenen Regeln verstoßen. Unter Frank Carlucci werden verdeckte Geheimoperationen wieder der entsprechenden Abteilung der CIA anvertraut, die Diplomatie soll wieder Sache des State Department sein, und fürs Militärische gibts schließlich das Pentagon. Car luccis Ernennung stieß in Washington auf einhellige Zustimmung, „die beste Wahl, die Reagan in den letzten sechs Jahren getroffen hat“, sagte des neuen Sicherheitsberaters ehemaliger Vorgesetzter, Stansfield Turner, der unter Carter Chef der CIA war. Immerhin war aber durchgesickert, daß ultrakonservative Kräfte Reagan gedrängt hatten, die Führung des NSC doch Jeane Kirkpatrick, der ultrarechten ehemaligen UNO–Botschafterin der USA, anzuvertrauen. Carlucci steht seit 30 Jahren im Dienst des „Foreign Service“; er war Ende der fünfziger Jahre Vizekonsul in Johannesburg und von 1960 bis 1962 „politischer Beamter“ an der US–Botschaft im Kongo, in einer Zeit also, als mehrere Regierungen das gerade unabhängig gewordene und in interne Kämpfe verstrickte Land zu manipulieren versuchten und als Premierminister Lumumba ermordet wurde. Danach wurde Carlucci Generalkonsul in Sansibar und von dort wegen „subversiver Aktivitäten“ - angeblich plante er einen Umsturzversuch - ausgewiesen. Seine nächste Station war die US–Botschaft in Brasilien, wo just zu dieser Zeit mit einem Militärputsch eine zwanzigjährige, von den USA unterstützte Generalsdiktatur ihren Anfang nahm. Auch als US–Botschafter in Portugal (ab 1975) mischte er im politischen Geschehen mit, unterstützte Soares, um später der Vorbereitung eines Putschversuchs rechtsgerichteter Offiziere bezichtigt zu werden. Ab 1978 war er drei Jahre lang Vizechef der CIA und leitete dabei verschiedenen Berichten zufolge eine innerhalb der Carter–Administration umstrittene Destabilisierungskampagne gegen den Südjemen, der damals den Nordteil des Landes militärisch bedrohte. Eine Gruppe von 30 Jemeniten wurde von der CIA in Saudi–Arabien in Sabotagetechniken ausgebildet, 13 von ihnen während eines Einsatzes im Südjemen gefaßt. Bis auf drei endeten sie am Galgen. Während seiner Amtszeit in Washington war Carlucci als Verfechter von Lügendetektor–Tests berüchtigt, wenn es galt, „undichte Stellen“ ausfindig zu machen. Als Abteilungsleiter im Nationalen Sicherheitsrat hat Carlucci auch die Befürchtungen bestätigt, daß er ein treuer Gefolgsmann Caspar Weinbergers ist. Nun, zum Chef des nationalen Sicherheitsrates aufgestiegen, wird Carlucci von Fritz W. Ermarth, einem Hardliner und Sowjetexperten, auf dem Feld der Beziehungen zu Moskau beraten - eine schlechte Nachricht für Entspannungsfreunde und Raketengegner. Und wenn es um Lateinamerika geht, wird Carluccis wichtigster Mann der aus Kuba stammende Jose Sorzano sein. Sorzano war Stellvertreter von UN–Botschafterin Jeane Kirkpatrick und steht der „Kubanisch–amerikanischen Nationalstiftung“ vor, einer Organisation, die sich offenbar in antikommunistischen Exilkubaner–Kreisen erheblicher Beliebtheit erfreut.