Mülldeponie: Gift ausgeschwemmt

■ Nach Dauerregen lief einen Tag lang Wasser aus der Dioxin– Kippe Münchehagen / Strafanzeigen der Bürgerinitiative an das Wasseramt wegen „Untätigkeit“ und „Vorsätzlicher Einleitung von Giftstoffen“

Von Dirk Asendorpf

Nienburg/Bremen (taz) - Die zweite Strafanzeige gegen den Landkreis Nienburg hat inzwischen die Bürgerinitiative gegen die Giftmülldeponie im niedersächsischen Münchehagen gestellt. „Vorsätzliche Einleitung von Giftstoffen in Gewässer“ wirft die BI dem Amt für Wasser und Abfall in Nienburg vor, weil die Behörde am 2. Januar für vier Stunden vergiftetes Wasser in den Ringgraben der Deponie und von dort in das Flüßchen Ils laufen ließ. Die aufgestellten Sammelcontainer waren nämlich alle bis an den Rand gefüllt und die Tankwagen, die inwischen das Wasser sammeln, waren noch nicht eingetroffen. Bereits am Silvesternachmittag hatten Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative den bestialischen Gestank im Ringgraben der Sondermülldeponie, auf der unter anderem 109 Fässer mit den Dioxin– resten der Hamburger Firma Boehringer lagern, bemerkt. Der Dauerregen der vorherigen Tage hatte offensichtlich einige der gelagerten Gifte ausgeschwemmt. Doch das Wasseramt weigerte sich, sofort jemanden auf die Deponie zu schicken. Dies brachte ihm bereits am Freitag die erste Anzeige der BI „wegen Un tätigkeit“ ein. Am Mittag des Neujahrstages begannen die Techniker des Amtes dann mit dem Abpumpen des ausgetretenen Wassers. Doch schon am 2. Januar um 8 Uhr morgens war die Kapazität der mitgebrachten Container erschöpft. Vier Stunden dauerte es, bis die Tankwagen eingetroffen waren, die seitdem das vergiftete Wasser einsammeln und in Erdlöchern, die mit Folie ausgeschlagen wurden, an anderer Stelle der Deponie wieder ablassen. In der Zwischenzeit lief die stinkende Brühe wieder in die Ils und von dort aus in die Weser. Am Montag will das niedersächsische Landesamt für Wasserwirtschaft das Ergebnis der Proben vorlegen, die Neujahr im Ringgraben der Deponie gezogen worden waren. Doch die BI erwartet sich davon nichts. „Die untersuchen gar nicht auf Einzelstoffe und auf Dioxine schon gar nicht“, weiß der BI– Sprecher Heinrich Bredemeier aus Erfahrung. Und dabei sei gerade die Gefahr des Ausschwämmens der hochgiftigen Dioxine besonders groß. Denn genau dort, wo das Wasser jetzt austritt, ist auf der Deponiekarte ein Faßlager verzeichnet. Und in Fässern wurde damals die sogenannte R–Säure, Herstellungsreste des Seveso– Giftes von Boehringer, nach Münchehagen gebracht. Diese „R– Säure“ ist zudem besonders wasserlöslich. „Unglaubliche Schlampigkeit“ hat inzwischen der umweltpolitische Sprecher der SPD–Fraktion im Hannoveraner Landtag, Uwe Bartels, der Landesregierung vorgeworfen. Außerdem forderte er, daß nun endlich die Ergebnisse der Deponieuntersuchung vorgelegt werden, die nach dem Austreten hochkonzentrierter Mengen Seveso–Dioxins vor eineinhalb Jahren erstellt worden war. „Keine Probleme“, sah der Sprecher der niedersächsischen Umweltbehörde noch im November auf der Sondermülldeponie Münchehagen. Behauptungen der Bürgerinitiative, dioxinhaltige Sedimente träten aus, seien „unseriös“ erklärte er damals.