K O M M E N T A R Ernte rechts

■ Kohl über Konzentrationslager in der DDR

Der Spott im Lande und die moralische Empörung in der Welt perlen an diesem Teflon–Kanzler ab. Man gewöhnt sich daran, daß seine sprachlichen Peinlichkeiten mit traumwandlerischer Sicherheit die Strategie eines chauvinistischen Populismus verwirklichen: Das deutsche Unbewußte aus der ganz und gar unverwechselbaren Konserve. Nachdem am Ende des Jahres 1986 der Kanzler Goebbels in Gorbatschow entdeckte, hat er nun zum Jahresanfang 87 Konzentrationslager in der DDR erspäht. Überrascht das? Kaum. Und erschrickt es uns? Sind wir vielmehr nicht schon apathisch geworden? Während am Ende dieser Legislaturperiode die Linke nur noch müde den Streit zu Ende bringt, wer mit welchem Recht welche linke Themen „besetzt“, hat die Kohl–Regierung längst schon eine dauerhafte örtliche Betäubung politischer Sensibilität erreicht. Das politische Schema ist keineswegs neu: Auf jenem Deutschlandtreffen der CDU, auf dem Kohl auf die KZs in der DDR hinwies, forderte Strauß, die Deutschen müßten „endlich aus dem Schatten des Dritten Reiches“ heraustreten. „Wir brauchen wieder mehr aufrechten Gang“. Das eben ist der Alptraum in der Tageshelle: Der Deutsche richtet sich auf, nicht um die Stirn zu bieten, nicht aufgerichtet, sondern als aggressiver Gebückter, als revanchistischer Biedermann. Auf rechts und nicht aufrecht. Das Schema besteht aus drei Elementen: das Schlußstrich–Ziehen unter die Geschichte des Dritten Reiches; die staatliche Aneignung der Geschichte; und die revanchistische Wendung der NS–Zeit gegen die anderen. Die jüngste Äußerung des Kanzlers macht klar genug, worum es bei dem Schlußstrich geht: das instinktive Wissen, daß ein angriffslustiger Antikommunismus nur florieren kann, wenn der moralische Stachel der NS–Vergangenheit abgestumpft ist. Mehr als die Kohl–Äußerung muß die Einsicht erschrecken, daß es hierzulande keine wirksame öffentliche Macht mehr gibt, die diesem Kanzler wenigstens Zurückhaltung auferlegt. Wer sich mit der Analyse zu beruhigen versucht, es handle sich um ein wahltaktisches Manöver, den rechten Rand einzufangen, liegt falsch. Hier wird die Mitte nach rechts getrieben. Klaus Hartung