Frankreich geht gegen Ghaddafi in Stellung

■ Der Krieg in der Wüste des Nord–Tschad treibt die französische Regierung in eine militärische Konfrontation mit Libyen / Von unserem Korrespondenten Knut Pedersen

Seit libysche Kampfflugzeuge am Sonntag zwei Städte im südlichen Tschad - also innerhalb des von Frankreichs Schützling Hissein Habre kontrollierten Landesteils - bombardiert haben, wird in Paris ein militärischer Vergeltungsschlag gegen die libyschen Truppen im Nord–Tschad diskutiert. Damit wäre Präsident Hissan Habre, dessen Truppen am 31.12.86 eine Offensive gegen die von Libyen unte

Abidjan (taz) - Die französische Regierung behält sich das Recht auf militärische Vergeltungsmaßnahmen vor, nachdem die libysche Luftwaffe am Sonntag die südlich des 16. Breitengrades gelegenen tschadischen Garnisonsstädte Arada und Oum–Chalouba bombardiert hat. Damit wird die seit drei Jahren im tschadischen Norden geltende Demarkationslinie - die eine faktische Teilung des Landes festschrieb - nunmehr von allen Beteiligten als überholte politische Fiktion angesehen. Bereits am 16. Dezember vergangenen Jahres hatte die französische Luftwaffe Munition, Treibstoff und Lebensmittel nördlich des 16. Breitengrades abgeworfen, um die in Bedrängnis geratene „Volksarmee“ Gukuni Weddeyes bis zum Eintreffen der regulären tschadischen Truppen zu entsetzten. Der Feldzug der „Nationalen tschadischen Streitkräfte“ Hissein Habres, die seit dem 31. Dezember die Rückeroberung des seit drei Jahren von der libyschen Armee kontrollierten Nordens betreiben, hat dann endgültig mit der Vorstellung zweier von Libyen bzw. Frankreich garantierter „Sicherheitszonen“ im Tschad gebrochen. Der 16. Breitengrad Die Festschreibung des 16. Breitengrades war das Ergebnis des letzten größeren Waffengangs im Tschad, der im August 1983 mit dem Eingreifen von rund 3.000 französischen Fallschirmjägern endete. Die sogenannte „Operation Manta“ setzte dem Vormarsch der von Libyen unterstützten oppositionellen Truppen der „Nationalen Übergangsregierung“ (GUNT) Gukuni Weddeyes ein Ende und „garantierte“ dem mit Frankreich verbündeten Präsidenten Hissein Habre die territoriale Integrität der wirtschaftlich entscheidenden südlichen Landeshälfte, in der rund neun Zehn tel der auf vier Millionen Menschen geschätzten Bevölkerung leben. Die drei nördlichen Provinzen Borkou, Ennedi und Tibesti (bet), die flächenmäßig zweimal die Bundesrepublik ausmachen, blieben damit freilich unter der Kontrolle der mit Libyen verbundenen GUNT, die im vergangenen Februar in einer neuerlichen Offensive versucht hatte, gegen NDjamena vorzurücken. Ein Versuch, der rasch von den „Nationalen tschadischen Streitkräften“ Hissein Habres gestoppt werden konnte, zumal Frankreichs Luftwaffe mit einem Präventivschlag gegen den im tschadischen Norden eingerichteten libyschen Luftwaffenstützpunkt Ouadi Doum ihre Bereitschaft zum Eingreifen unterstrich. Die sogenannte „Operation Epervier“ (Turmfalke) sicherte seit Februar 1986 den Luftraum südlich des 16. Breitengvrades, der damit erneut zur gültigen Demarkationslinie der jeweiligen Einflußsphären erklärt wurde. Die faktische, von Frankreich und Libyen sanktionierte Teilung des Tschad ist in den Augen Hissein Habres eine Verletzung territorialer Integrität, die zudem Erinnerungen aus der Kolonialzeit weckt. Sowohl Hissein Habre als auch Gukuni Weddeye, die beide aus dem Norden stammen, haben jahrelang im Rahmen der „Nationalen Befreiungsbewegung“ (Frolinat) gegen die Vorherrschaft des Südens gekämpft. Und es ist in historischer Perspektive offensichtlich, daß für die Protagonisten des tschadischen Konflikts eine Trennungslinie, die erneut zwischen Norden und Süden scheidet, unannehmbar ist. Kampf gegen Teilung von Nord und Süd So hat sich, trotz zahlreicher, in den letzten Wochen geradezu beschwörend wiederholter Warnungen von seiten der französischen Regierung, Hissein Habre gleichwohl zur Rückeroberung des besetzten Nordens entschlossen. Seine Truppen haben am 31. Dezember zum ersten Male in die Kämpfe im Tibestigebirge eingegriffen, und am 2. Januar hat die reguläre tschadische Armee mit dem Angriff auf die Palmenoase Fada eine zweite Front eröffnet. Was sowohl den politischen Willen Habres unterstreicht, tatsächlich die „nationale Befreiung“ bis zum Ende auszufechten, als auch militärisch der Notwendigkeit folgt, die Feuerkraft der libyschen Luftwaffe durch die Vervielfältigung der Kampfplätze zu relativieren. Die tschadischen Streitkräfte haben der libyschen Luftüberlegenheit, die - zumindest auf dem Papier - über rund 500 Apparate modernster Bauart verfügt, d. h. über eine Armada, die numerisch selbst Frankreichs Luftstreitkräfte übertrifft, nichts entgegenzusetzen. Riskante Erpressung Habres militärischer Vormarsch im tschadischen Norden kommt deshalb einer politischen Erpressung Frankreichs gleich. Selbst wenn die tschadische Armee in den nächsten Tagen weiterhin erfolgreich vorrücken könnte, so bliebe sie doch wehrlos gegenüber den Angriffen der libyschen Luftwaffe, die letztlich den Feldzug zum Scheitern verurteilten müßte - falls Frankreich nicht eingreift. Ein Druck, dem die französische Regierung auf Dauer kaum widerstehen wird, zumal er von allen afrikanischen Verbündeten Frankreichs politisch verstärktwird. Und der - politisch bestenfalls als unglaubliche Provokation verständliche - Angriff der libyschen Luftwaffe auf Garnisonsstädte südlich des 16. Breitengrades hat am Sonntag den idealen Vorwand geliefert, um das Eingreifen der französischen Armee zu legitimieren. Nachdem der Rubikon nun schon in beide Richtungen überschritten ist, steht Frankreich nunmehr vor der Wahl der Waffen. Die Frage ist, welche militärische Antwort die Gefahr einer unkontrollierten Konfrontation mit Libyen in Grenzen hält und gleichzeitig die politischen Interessen Frankreichs gegenüber dem eigenwilligen Verbündeten Habre sichert. Denn für Frankreich steht nicht die „Rückeroberung der Heimat“ auf dem Spiel, sondern die Sicherung seiner Einflußsphäre sowohl im Tschad selbst als auch im übrigen Afrika, wo den Verbündeten einmal mehr bewiesen werden muß, daß sie in Gefahr und Not auf Frankreichs Beistand rechnen können. Ein Hebel, der den „Gendarmen Afrikas“ bislang noch immer in Bewegung gesetzt hat.