Kämpfe legten Zentrum Westbeiruts lahm

■ Drusen liefern heftige Gefechte gegen pro–syrische Miliz / Hintergrund: Überfall auf drusischen Konvoi / Küstenstraße von Beirut in den Süden gesperrt / Verschleppter Palästinenser tot aufgefunden / Amal fortgesetzter Exekutionen beschuldigt

Aus Beirut Petra Groll

„Es ist soweit, kein Wasser, kein Strom, kein Benzin, Bomben zum Frühlstück statt Brot“, konstatierte am Dienstag vormittag einer der wenigen Passanten in Westbeiruts Hauptgeschäftsstraße Hamra. Sämtliche Geschäfte waren gen Mittag noch geschlossen. Die Straße, sonst vom Einbahnverkehr völlig vestopft, wurde in wüster Manier aus beiden Richtungen befahren. Milizionäre rasten an ihre Einsatzplätze. Vereinzelt drückten sich Fußgänger von Hauseingang zu Hauseingang, immer an der Wand entlang. Ddie Kontrahenten, Milizionäre der „Progressiven Sozialistischen Nationalpartei“ (PSNS) und der „Progressiven Sozialistischen Partei“ (PSP) der Drusen hatten sich im dicht besiedelten Stadtteil Hamra und Manara in der Nähe des Campus der amerikanischen Universität Beiruts beschossen. Uniformierten Milizionäre der PSP mit blauen Emblemen und feuerroten Halstüchern und Angehörige der PSN, größtenteils in Zivil, mit Wollmützen und schwarzen Halstüchern maskiert, hielten die Kreuzungen besetzt und lauerten in allen nur möglichen Verstecken. Hintergrund dieser Kämpfe im traditionell von der prosyrischen, mehrheitlich von Christen frequentierten PSNS besetzten Ge biet ist wohl ein Zwischenfall vom vergangenen Wochenende. In der Nacht vom Freitag auf Samstag war auf der Küstenstraße, die die Hauptstadt Beirut mit dem Südlibanon verbindet, ein Konvoi der PSP überfallen worden. Dabei wurden zwei drusische Milizionäre getötet und sechs weitere verletzt. Die Täter konnten „unerkannt entkommen“. Die Küstenstraße, die in diesem Abschnitt von syrischen Geheimdiensteinheiten, der Schiitenmiliz „Amal“ und der PSP kontrolliert wird, blieb seither geschlossen. Zur Be gründung hieß es, man wolle Blutrache–Aktionen der betroffenen Angehörigen vermeiden. Drusenfürst und PSP–Chef Walid Junblatt, der nach mehrwöchtigem Auslandsaufenthalt am Wochenende nach Libanon zurückgekehrt war, versprach den Angehörigen der beiden Toten eine minutiöse Aufklärung des Vorfalls durch den Sicherheitsdienst seiner Partei. Keine der beiden betroffenen Parteien gab bis Mittag eine öffentliche Erklärung zu den Gefechten in Beirut ab. Milizionäre der PSP allerdings, die an den Auseinandersetzungen beteiligt waren, brachten beide Vorfälle miteinander in Verbindung. Am frühen Nachmittag hörten die Kämpfe auf, nachdem die Führung der PSNS vier ihrer Mitglieder an die PSP ausgeliefert hat, die für die Vorfälle vom Freitag verantwortlich sein sollen. Sieben weitere PSNS–Angehörige, denen das Gleiche zur Last gelegt wird, waren bereits zuvor von der Drusenmiliz festgenommen worden. Damit ist der befürchtete Ausbruch allgemeiner Bürgerkriegskämpfe in Westbeirut zunächst einmal vermieden worden. Mit den Auseinandersetzungen vom Dienstag hat die seit Wochen herrschende Spannung in der libanesischen Hauptstadt ein erstes Ventil gefunden. Unter dem Druck des seit mehr als drei Monaten andauernden „Lagerkrieges“ der Schiitenhmiliz „Amal“ gegen die Palästinenser, eines zunehmenden Mangels an Benzin und Mehl, der auf Marktmanipulationen zurückgeführt wird, sowie eine ständig steigende Zahl von zumeist nächtlichen Angriffen. Acht palästinensische Organisationen beschuldigten in einer am Montag in Beirut veröffentlichten Erklärung die Schiitenbewegung „Amal“, einen vor zwanzig Tagen in seinem westbeiruter Haus gefangen genommenen Palästinenser exekutiert zu haben. Die palästinensischen Parteien warfen in ihrer Erklärung der „Amal“ eine fortgesetzte Praxis der Exekution von palästinensischen Zivilisten in Westbeirut seit dem erneuten Ausbruch des „Lagerkrieges“ vor mehr als drei Monaten vor.