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■ Die Bonner Untersuchungen über das U–Boot–Blaupausengeschäft mit Südafrika treten auf der Stelle

Während im Bonner U–Boot–Untersuchungsausschuß vor allem darum gerungen wird, ob man vor der Wahl am 25. Januar überhaupt noch etwas Substanzielles in Erfahrung bringen will, wird von der staatseigenen Howaldtswerft nach Kräften gemauert. Und das mit gutem Grund: Im Rahmen der Verkaufsstrategie des Unternehmens kommt Südafrika eine Schlüsselstellung zu.

Bonn (taz) - Wenn ein Rüstungsunternehmen im Verdacht der illegalen Waffenexporte steht, lassen sich die Behörden gerne Zeit. Über Jahre hinweg wurde der Prozeß gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall verschleppt - schon länger als ein Jahr ermittelt nun die Oberfinanzdirektion Kiel, ob im Falle der Lieferung von U–Boot– Konstruktionsplänen an Südafrika eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Daß die Behörde so lange brauchte, erklärte ein Oberfinanzkommissar am Mittwoch vor dem Bonner Untersuchungsausschuß u.a. mit Personalproblemen: Eine Sachbearbeiterin habe gewechselt, die neue habe Einarbeitungszeit benötigt, mit HDW habe man schwer Termine bekommen, etc. Doch ob die Ermittlungen noch vor dem Wahltag zu Ende kommen, steht in den Sternen. Und ein staatsanwaltliches Verfahren ist bis heute nicht angelaufen. Erst nachdem die Kieler Nachrichten Ende November von dem illegalen Blaupausen–Handel berichteten, reagierte die Oberfinanzdirektion und richtete eine Anfrage an das Außenministerium, ob die Kieler Howaldtswerke (HDW) und das Lübecker Ingenieurskontor (IKL) auch gegen den § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes (Störung außenpolitischer Beziehungen) verstoßen habe. Auf dieses Gutachten wartet nun der Kieler Staatsanwalt, wie er in Bonn sagte. Schließlich habe er „keine Anhaltspunkte“, daß die Oberfinanzdirektion den Vorgang nicht ordnungsgemäß behandele. Gleichzeitig mußte er einräumen, daß die Oberfinanzdirektion eigentlich von Anfang an zu allen in Frage kommenden Straftatbeständen hätte tätig werden müssen. Abgeordnete der Grünen und der SPD argumentieren dagegen, in dem einen Jahr hätten längst ge nügend Anhaltspunkte auftauchen müssen, die eine „automatische“ Abgabe an den Staatsanwalt gerechtfertigt hätten. Der Staatsanwaltschaft Kiel liegen außerdem auch Anzeigen, u.a. der Anti– Apartheid–Bewegung, vor. Die Grünen forderten gestern Außenminister Genscher auf, öffentlich auf die Störung der auswärtigen Beziehungen hinzuweisen und die Ermittlungen nicht länger zu blockieren. In Wartestellung befindet sich auch die Bundesanwaltschaft. Vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens soll Verteidigungsminister Wörner begutachten, ob bei der Lieferung der Blaupausen gegen den § 353 StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) verstoßen wurde. Beamte des Verteidigungsministeriums wühlen bei HDW und IKL gerade zum zweiten Mal Akten, Werkstattzeichnungen und Mikrofilme durch, nachdem sie das Material im Dezember schon einmal durchgesehen und bereits als „nicht geheimhaltungsbedürftig“ eingestuft hatten. Immerhin, Beweisanträge sind beschlossen, den Abgeordneten könnten Akten sofort zugestellt werden. Ob das geschieht, steht auf einem anderem Blatt. Neue Hindernisse tauchen auf: Der Münchner Anwalt von IKL, Dr. Zoglmann, machte bereits rechtliche Bedenken „gegen die uneingeschränkte Weitergabe“ der Ermittlungsakten geltend und will gegebenenfalls eine einstweilige Anordnung durchsetzen. Der Prüfbericht der Oberfinanzdirektion umfasse „die Abwicklung von Verträgen mit sämtlichen ausländischen Auftraggebern“, für die seit 1984 Zahlungen entgegengenommen wurden, heißt es in dem Schreiben des Anwalts. Und was Südafrika angehe, müßten die Akten sowie die Aussagen von Beamten als „Verschlußsache“ behandelt werden, sonst bestehe die Gefahr der „Betriebsspionage“ und „Betriebssabotage“. An anderer Stelle tauchen Aufzeichnungen auf, die zunächst bestritten wurden: Nun hat Kanzlerberater Teltschik über das Gespräch zwischen dem südafrikanischen Premier Botha und Kanzler Kohl doch Notizen angefertigt, wenn auch „persönliche“. Und aus dem Verteidigungsministerium könnte doch mehr herauskommen als die „fünf bis sieben Seiten“, die Verteidigungsminister Wörner gegenüber dem Ausschußvorsitzenden Penner (SPD) erwähnte. Die Grünen sprachen von Hinweisen, wonach „ein umfangreicher Schriftwechsel“ zwischen den Firmen HDW/IKL und dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz sowie dem Verteidigungsministerium existiere: Die Firmen hätten angefragt, in welcher Ausführung die U–Boot–Lieferungen gegen Geheimschutzvorschriften verstießen. Am kommenden Dienstag werden zunächst eine Reihe von Ministerialbeamten vernommen; am Donnerstag sind die Staatssekretäre Schreckenberger und Teltschik aus dem Kanzleramt, von Würzen aus dem Finanzministerium und Tietmeyer an der Reihe. Ob Bundeskanzler Kohl oder einer seiner Minister in der Woche vor dem Wahltag noch auftreten müssen, ist ungewiß. Schließlich ist Wahlkampf, und die SPD muß unter dem Damoklesschwert der CDU agieren, die auf Waffenlieferungen und die Export–Praxis in den Jahren der sozialliberalen Regierung kommen möchte, wenn es für sie zu brenzlig wird. Ursel Sieber